Die beiden 1966 unterzeichneten und 1976 in Kraft getretenen Menschenrechtspakte - der Sozial- und der Zivilpakt - sind bis heute die einzigen rechtsverbindlichen, internationalen Verträge, die grundlegende Menschenrechte festlegen und deren nationale Implementierung fordern. Beide Verträge sind zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bis heute zentrale Referenzpunkte der internationalen Menschenrechtspolitik, auf die sich Nationalstaaten, Organisationen und Individuen berufen. Die Aushandlung der beiden Vertragstexte zwischen 1948 bis 1966 macht deutlich, wie stark die menschenrechtliche Normierung in den fünfziger und sechziger Jahren von den politischen Interessen bestimmt wurde, die dem Ost-West-Konflikt und der Dekolonisierung zugrunde lagen.
Entstehungsgeschichte
Inhalt
Wirkungsgeschichte
Kommentierte Literaturliste
Weitere Literatur
Bereits während des Zweiten Weltkrieges begannen die USA, Großbritannien und die Sowjetunion eine neue Weltordnung zu entwickeln, die zukünftig Konflikte verhindern und die eigene wirtschaftliche und politische Vormachtstellung sichern sollte. Die 1941 von Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt verkündete Atlantic Charter enthielt erste Verweise auf universelle Grundrechte, zielte aber vor allem darauf, das Bündnis der Alliierten zu konsolidieren. In den folgenden Verhandlungen zur Entwicklung einer neuen internationalen Nachkriegsordnung standen Menschenrechte nicht im Zentrum alliierter Interessen. Dass sie 1945 dennoch in der UN-Charter Erwähnung fanden, war vor allem dem Engagement amerikanischer NGOs geschuldet, die direkt an den Planungen und der Umsetzung beteiligt waren und deren Mitglieder dem liberalen, international denkenden Milieu angehörten. Geleitet wurden diese Gruppen von der Annahme, dass die Wahrung der Menschenrechte eine notwendige Voraussetzung zur Sicherung des Friedens darstelle und der Aufstieg des Faschismus das Resultat massiver Menschenrechtsverletzungen gewesen sei. Die Regierung unter Harry S. Truman unterstützte die Arbeit dieser NGOs, um sich deren Zustimmung zur neuen Sicherheitsstrategie im aufziehenden Kalten Krieg zu sichern.[1]
Als 1946 die UN-Menschenrechtskommission gegründet wurde, beauftragten die UN-Mitgliedstaaten diese, erstens in einer Erklärung grundlegende Menschenrechte zu benennen, und zweitens einen rechtsverbindlichen Vertrag auszuarbeiten. Zu Beginn der Verhandlungen bestand unter der Mehrheit der Mitglieder noch ein relativer Konsens; bereits 1948 wurde in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet. [2] Dieser Rechtekatalog umfasste sowohl die aus der Tradition des europäisch-amerikanischen Verfassungsstaates hervorgehenden politischen und bürgerlichen Rechte, als auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Der Konsens der frühen Nachkriegsjahre zerbrach allerdings bereits nach wenigen Jahren im Zuge des Ost-West Konflikts und der Re- und Dekolonisierung. Die Annahme, wonach Menschenrechte die Grundlage zur Sicherung des internationalen Friedens darstellten, hatte viel von ihrer Überzeugungskraft eingebüßt. Die Regierungen der Großmächte sahen sie nicht mehr als Garanten des Weltfriedens, sondern als Gefährdung, da sie einen direkten Angriff auf die staatliche Souveränität darstellten.[3]
Nach 1948 bestand zwischen den Großmächten USA, Sowjetunion und Großbritannien nur noch Einigkeit darüber, dass ein rechtsverbindlicher Menschenrechtsvertrag auf keinen Fall die staatliche Souveränität untergraben, der eigenen Machtpolitik im Wege stehen, oder die alleinige Vormachtstellung innerhalb der UN gefährden dürfe.[4] Die UN-Menschenrechtskommission wurde zum Austragungsort heftiger ideologischer und politischer Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern von Ost und West sowie Nord und Süd. Die antagonistischen Lager beschuldigten sich gegenseitig, die Menschenrechte zu missachten, und nutzten die Verhandlungen für propagandistische Zwecke. Neben diesen politischen Spannungen erschwerten auch völkerrechtliche Probleme die Arbeit der Kommission. Ein Vertrag über universelle Menschenrechte stand in einem Spannungsverhältnis zum Grundprinzip der Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten eines Mitgliedstaates.
Als die Menschenrechtskommission 1954 schließlich zwei Vertragsentwürfe vorlegte, verwies die Generalversammlung diese zur weiteren Überarbeitung an das Dritte Komitee. Hier sollten die Entwürfe erneut Artikel für Artikel verhandelt werden. Diese Verhandlungen, an denen alle UN-Mitgliedsstaaten beteiligt waren, sollten sich über die nächsten zwölf Jahre hinziehen. Dabei prägten sowohl die politisch-ideologischen Auseinandersetzungen, als auch juristische Probleme den Inhalt, die Form und die Wirkung der Menschenrechtsverträge nachhaltig.[5]
Einer der ersten Streitpunkte Ende der vierziger Jahre betraf die Frage, ob Abwehrrechte – auch politische und bürgerliche Rechte genannt – zusammen mit Leistungs- und Teilhaberechten – auch als wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bezeichnet – in einem einzigen Vertrag kodifiziert werden konnten. Während die osteuropäischen Staaten Leitungs- und Teilhaberechten gegenüber Abwehrrechten den Vorrang gaben, war eine Festschreibung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte in einem bindenden Abkommen für einige westliche Staaten – vor allem für die USA und Großbritannien – nicht hinnehmbar. Zwar sprach sich die Generalversammlung in einer Resolution für die Zusammenfassung beider Arten von Rechten in einem Vertrag aus. Doch 1951 und 1952 brachten die westlichen Staaten die Frage der Aufteilung der Verträge immer wieder in die Kommission ein. Sie argumentierten, dass die Mängel bei der Implementierung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte die Wirksamkeit des gesamten Vertrages gefährden könnten.[6] Zugleich erhöhten die USA den Druck auf die dekolonisierten Staaten. Durch geschicktes Taktieren gelang es schließlich, die bereits gefasste Entscheidung wieder aufzuheben und die Frage der Teilung erneut vor die Generalversammlung zu bringen. Im Februar 1952 stimmte eine knappe Mehrheit für die Teilung in zwei Verträge.
Ein weiterer zentraler Streitpunkt, der von den USA und Großbritannien aufgebracht wurde, betraf die regionale Gültigkeit. Bereits während der zweiten Sitzung der Kommission 1948 forderten die USA eine federal clause, wonach in föderalen Staaten die Bundesländer frei über die Implementierung des Menschenrechtspaktes entscheiden sollten. Die Sowjetunion kritisierte diese Forderung als Schlupfloch, mit dem die USA die Segregation in ihren südlichen Bundesstaaten schützen wolle. Doch auch Großbritannien stellte sich aus Furcht, die Verträge könnten dadurch wirkungslos werden, gegen die US-amerikanische Forderung. Gleichzeitig forderte Großbritannien jedoch eine colonial clause, die koloniale Herrschaftsgebiete von den vereinbarten Rechten ausschließen sollte. Hinter dieser Position verbarg sich ein interner Konflikt in der britischen Administration zwischen Foreign Office und Colonial Office. Das Außenministerium wollte möglichst effektive Verträge aushandeln, um diese gegen die Sowjetunion einsetzen zu können, wohingegen das Kolonialministerium fürchtete, solche Verträge könnten der Bevölkerung in den Kolonien Instrumente an die Hand geben, um gegen die Kolonialmacht vorzugehen.[7] Großbritannien manövrierte sich mit dieser Haltung in eine widersprüchliche Position hinein, was die dekolonisierten und sozialistischen Staaten geschickt zu nutzen wussten. Schließlich gelang es den Gegnern der colonial clause, diese auszuhebeln. Mit der Entscheidung des Dritten Komitees vom November 1950, die Bestimmungen der Pakte auf die Kolonialgebiete auszudehnen, wurde die britische Forderung obsolet.[8]
Im Falle der federal clause führte der Rückzug der USA aus den Verhandlungen zum Ende der Debatte. Der polemische Antikommunismus der McCarthy-Ära wühlte die USA innenpolitisch auf und schürte die Angst vor einer kommunistischen Bedrohung.[9] Zudem entbrannte ein bis heute andauernder Streit über die Relevanz internationaler Verträge für die innerstaatliche Rechtsprechung und über die Machtbefugnisse des Präsidenten. Diese Debatte, in der die Kritik des Isolationismus und Föderalismus an internationalen Verträgen gebündelt wurde, fand ihren Höhepunkt in der Auseinandersetzung um die sogenannten Bricker Amendments, die darauf zielten, der Gültigkeit völkerrechtlicher Normen in den USA enge Grenzen zu setzen.[10] Der innenpolitische Druck im Zusammenspiel mit den außenpolitischen Spannungen führte dazu, dass Präsident Eisenhower 1953 die sehr engagierte Eleanor Roosevelt durch Mary Lord in der Menschenrechtskommission ersetzte. Sie verkündete, dass ihr Land die beiden Pakte nicht ratifizieren werde. Fortan beteiligten sich die USA zwar noch an den Debatten innerhalb der Kommission, schlossen aber eine Anerkennung der Ergebnisse aus. Letztlich wurde dennoch eine federal clause in beide Verträge aufgenommen, allerdings limitierte diese nicht die Wirkung der Pakte, sondern forcierte deren rechtliche Stellung in föderalen Staaten.[11]
Während sich die USA aus den Verhandlungen zurückzogen, erstarkte der Einfluss der dekolonisierten Staaten.[12]Ihr erklärtes Ziel war das Selbstbestimmungsrecht der Völker in die Menschenrechtsverträge einzubringen, um den kolonialen Ansprüchen ehemaliger europäischer Großmächte etwas entgegensetzen zu können.[13]Dabei erhielten sie bereits ab 1948 Unterstützung von der Sowjetunion. In einer Resolution vom Februar 1952 forderte die UN-Generalversammlung, in der die afro-asiatischen Staaten zusammen mit den sozialistischen über eine Mehrheit verfügten, die Menschenrechtskommission auf, das Recht auf Selbstbestimmung in die Verträge aufzunehmen.[14] Fortan arbeiteten die Befürworter des Rechts auf Selbstbestimmung daran, dieses als grundlegendes und wichtigstes Menschenrecht durchzusetzen. Bereits in den ersten beiden Vertragsentwürfen, die 1954 der Generalversammlung vorgelegt wurden, behandelte jeweils der erste Artikel beider Verträge das Recht auf Selbstbestimmung.[15]
Die Debatte wurde nach 1954 innerhalb des Dritten Komitees fortgesetzt, wobei die Befürworter nicht allein den massiven Widerstand europäischer Staaten überwinden mussten. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist bis heute eines der umstrittensten Menschenrechte, dessen inhaltliche Auslegung die Überarbeitung der Vertragsentwürfe immer wieder verzögerte. Die Fragen nach den Minderheiten und dem Sezessionsrecht verdeutlichen die Gefahr, die von dem Recht auf Selbstbestimmung nicht nur für die Kolonialmächte, sondern auch für die fragilen dekolonisierten Staaten selbst ausging. Um diese Gefahr einzudämmen drängten Letztere darauf, den Primat der UN-Charter und der darin festgeschriebenen territorialen Integrität (Artikel 2 der UN Charter) zu bestätigen. Durch diesen »asymmetrischen Kompromiss«[16] konnten zukünftige Forderungen nach der Umsetzung des Rechts auf Selbstbestimmung durch einen Verweis auf die UN-Charter, die rechtlich über den Pakten steht, zurückgewiesen werden. Dieser Kompromiss ermöglichte es den afro-asiatischen Staaten mit der Unterstützung der osteuropäischen Staaten eine Mehrheit im Dritten Komitee zu bilden. Gemeinsam setzten sie nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung durch, sondern platzierten es zugleich in beiden Pakten an erster Stelle, wodurch es unausgesprochen als wichtigstes und grundlegendes Menschenrecht definiert wurde. Darüber hinaus ergänzten sie es um die wirtschaftliche Selbstbestimmung über die natürlichen Ressourcen des eigenen Landes. Die afro-asiatischen Staaten funktionalisierten damit die Pakte für ihren Antikolonialismus und ihre politische Emanzipation, wodurch diese für sie zu einem attraktiven Regelwerk wurden, das sie gegen die Widerstände der europäischen Kolonialmächte und der USA durchsetzen konnten.[17]
Nachdem es den dekolonisierten Staaten gelungen war, das Recht auf Selbstbestimmung in den Verträgen zu verankern, nahmen sie in den weiteren Verhandlungen bis 1966 eine zunehmend ambivalente Haltung ein – nicht zuletzt mit Blick auf die Frage der Wirksamkeit und Implementierung der beiden Pakte. Deutlich wurde dies in den Debatten um die Möglichkeit der Individualbeschwerde, die es Einzelpersonen erlauben sollte, die Kommission auf Menschenrechtsverletzungen von Staaten aufmerksam zu machen. Während in den fünfziger Jahren die Mehrheit der dekolonisierten Staaten diese Möglichkeit befürwortete, lehnten die USA, Großbritannien und die Sowjetunion Individualbeschwerden ab. Bei den Verhandlungen Anfang der sechziger Jahre über die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und der Konvention zur Verurteilung des Verbrechens der Apartheid kämpften die Vertreter der afro-asiatischen Staaten und des Ostblocks für die Aufnahmen eines Verfahrens der Individualbeschwerde in diese Konventionen.[18] Zur gleichen Zeit lehnten sie ein solches Petitionssystem für beide Pakte ab, weil sie fürchteten, selber wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagt zu werden. Allerdings hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Position der westeuropäischen Staaten geändert. Diese hatten zu Beginn der fünfziger Jahre die Europäische Menschenrechtskonvention angenommen; Anfang der sechziger Jahre entließen sie große Teile ihres kolonialen Besitzes in die Unabhängigkeit und mussten sich nicht mehr um Klagen der dortigen Bevölkerung Sorgen machen. Zusammen mit den USA drängten sie 1963 im Dritten Komitee darauf, gegen den Widerstand der dekolonisierten Staaten und der Sowjetunion ein Individualbeschwerdeverfahren auch für die beiden UN-Pakte zuzulassen.[19] Das Resultat war ein Kompromiss, in dem individual communications durch ein Fakultativprotokoll nur für den Pakt über die Zivil- und Bürgerrechte zugelassen wurden. Selbst diese Bezeichnung war höchst umstritten. Der eigentlich vorgesehene Begriff individual complaint galt den Kritikern des Verfahrens als zu wertend. Somit stand es jedem Staat frei, über die Zulassung von Individualbeschwerden zu entscheiden. 1990 hatten 50 der 92 Mitgliedsstaaten des Zivilpaktes das Fakultativprotokoll ratifiziert, 2013 waren es 115 der 167 Vertragsmitglieder.
Nach 18 Jahren politischen Ringens in der UN-Menschenrechtskommission und dem Dritten Komitee wurden die Verträge am 20. Dezember 1966 von der Generalversammlung im Konsens angenommen und zur Unterzeichnung ausgelegt.
Beide Pakte garantieren verbindlich grundlegende Menschenrechte. Sie beinhalten überwiegend Individualrechte, die Menschen gegen staatliche Übergriffe schützen und ihre demokratischen Grundfreiheiten sowie die materiellen Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben sichern sollen. Beide Pakte ähneln in ihrem Inhalt und Aufbau der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Der erste Teil beider Verträge befasst sich mit dem Recht auf Selbstbestimmung der Völker und ihrem Recht, über die natürlichen Reichtümer ihres Landes frei zu verfügen. Auch findet sich hier die Verpflichtung, das Recht auf Selbstbestimmung in Gebieten ohne Selbstregierung und in Treuhandgebieten zu fördern und zu achten.
Auch wenn darauf geachtet wurde, eine möglichst große inhaltliche Übereinstimmung beider Verträge zu erzielen, unterscheiden sie sich stark in ihrer Verbindlichkeit. Deutlich wird dies unter anderem im zweiten Teil und im zweiten Artikel beider Verträge, in dem festgelegt wird, dass die Rechte für alle Menschen unabhängig von ihrer Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung gelten. Der Zivilpakt verpflichtet alle Teilnehmer, dafür Sorge zu tragen, dass die im Vertrag kodifizierten Rechte mit der jeweiligen Verfassung sowie der innerstaatlichen Rechtsprechung übereinstimmen. Zudem verpflichten sich die Mitglieder, geschädigten Personen rechtsstaatliche Mittel zur Verfügung zu stellen und eine angemessene Entschädigung zu gewährleisten. Vergleichbares findet sich nicht im Sozialpakt. In diesem wird lediglich eine Umsetzung des Vertrags gefordert, die sich an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des jeweiligen Staates orientiert. Maßnahmen zur juristischen Durchsetzung der Rechte finden sich im Sozialpakt nicht. Stattdessen findet sich eine Ausnahmeregelung, die es Entwicklungsländern gestattet, selbst zu entscheiden, inwiefern die vorgeschriebenen Rechte für Nicht-Staatsbürger gelten. Dies ermöglicht es den Vertragsstaaten, die Universalität der Menschenrechte außer Kraft zu setzten.
Zudem haben die Mitglieder die Möglichkeit, die in dem Vertrag festgeschriebenen Rechte auszusetzen, sofern dies dem allgemeinen Wohl dient und nicht der vorgeschriebenen Rechtsprechung sowie der Natur der in dem Vertrag genannten Rechte widerspricht (Artikel 4). In einer nationalen Ausnahmesituation können ein Notstand ausgerufen und für einen begrenzten Zeitraum einzelne Artikel der Verträge außer Kraft gesetzt werden. Ausgeschlossen davon sind Artikel, die als unveräußerliche Grundrechte angesehen werden, wie unter anderem das Recht auf Leben (Artikel 6), das Verbot von Folter (Artikel 7) oder die Meinungsfreiheit (Artikel 18). Staaten, die einen Notstand ausrufen, verpflichten sich zudem, alle Mitgliedsstaaten über den Generalsekretär darüber zu informieren, welche Artikel sie aus welchem Grund außer Kraft setzen und wann der Notstand wieder aufgehoben wird. Seit dem Inkrafttreten der Verträge 1976 haben zahlreiche Mitgliedsstaaten von diesem Recht Gebrauch gemacht und Notstandsregelungen genutzt, um Menschenrechtsverletzungen zu begehen.
Der dritte Teil bildet jeweils das Kernstück der Verträge und beinhaltet die konkreten Rechte. Der Sozialpakt definiert das Recht auf Arbeit, Sozialversicherung, Elternzeit, einen stetig sich verbessernden Lebensstandard bei Nahrung und Behausung, sowie den Anspruch auf Gesundheit, Bildung und Teilhabe am kulturellen Leben. Der dritte Teil des Zivilpaktes beinhaltet das Recht auf Leben, persönliche Freiheit und Sicherheit,
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf die Teilnahme an allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen. Verboten sind Sklaverei und Zwangsarbeit sowie die Diskriminierung ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten.
Der vierte Teil der Verträge befasst sich mit Maßnahmen des Monitoring. Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen ist beauftragt, die Generalversammlung in regelmäßigen Abständen über die Fortschritte bei der Einhaltung des Sozialpakts zu unterrichten. Der Menschenrechtsausschuss, bestehend aus 18 Rechtsexperten, ist für den Zivilpakt zuständig. Er überprüft die in regelmäßigen Abständen eingehenden staatlichen Berichte und Individualbeschwerden. Der Ausschuss selbst darf allerdings nicht ermittelnd tätig werden und kann Mitgliedsstaaten bei einem Verstoß lediglich zu einer nicht verbindlichen Widergutmachung auffordern. Zudem darf der Ausschuss regelmäßig general comments erstellen, in denen einzelne Rechte problematisiert und erläutert werden.
Im fünften Teil des Zivilpaktes wird bekräftigt, dass dieser nicht so ausgelegt werden dürfe, dass er der UN-Charter oder den Aufgaben der Vereinten Nationen zuwider laufe. Diese Forderung wird in Artikel 47 noch präzisiert, indem festgelegt wird, dass »das allen Völkern innewohnende Recht auf den Genuss und die volle und freie Nutzung ihrer natürlichen Reichtümer und Mittel« nicht durch den Zivilpakt eingeschränkt werden dürfe.
Der fünfte Teil des Sozialpaktes sowie der sechste des Zivilpaktes befassen sich mit den Richtlinien zur Ratifizierung und zum Inkrafttreten der Verträge und enthalten nachträglich eingefügte Änderungen. So wurde 1979 der Zivilpakt um Artikel 41 erweitert, der es Mitgliedsstaaten gestattet, andere Mitgliedsstaaten bei Verstößen vor dem Ausschuss anzuklagen, von dem bis heute allerdings noch nie Gebrauch gemacht wurde. 1989 wurde dem Vertrag zudem ein zweites Fakultativprotokoll hinzugefügt, welches die Abschaffung der Todesstrafe fordert.
Während der Aushandlung der beiden Vertragstexte zwischen 1948 und 1966 hatte sich die Staatenwelt massiv verändert. Der anfängliche Optimismus, die Welt durch Verträge sicherer machen zu können, wurde in den Mühlen der Realpolitik des Ost-West Konfliktes und der Dekolonisierung aufgerieben. In den folgenden Jahren unterzeichneten zahlreiche Staaten die Verträge, die Ratifizierung verlief jedoch zunächst nur schleppend. Erst in den siebziger Jahren, als die Menschenrechte größere gesellschaftliche und politische Bedeutung erlangten, stieg die Zahl der ratifizierenden Staaten auf 35, sodass die Pakte 1976 in Kraft treten konnten. Der UN-Menschenrechtsausschuss wurde einberufen und begann ab 1977 die eingehenden Staatenberichte und individuellen Petitionen zu überprüfen. 1987 wurde das Committee on Economic, Social and Cultural Rights nach dem Vorbild des UN-Menschenrechtsauschusses zur Überwachung des Sozialpaktes eingerichtet.
Nach dem Ende des Kalten Krieges erlebten die Menschenrechte einen weiteren gesellschaftlichen und politischen Bedeutungsgewinn. Die Zahl der Mitglieder des Sozial- und Zivilpaktes stieg bis 1993 signifikant auf 122 an. Im gleichen Jahr bekannten sich alle UN-Mitgliedstaaten auf der Menschenrechtskonferenz in Wien zum Schutz der Menschenrechte; das Amt des Hochkommissars für Menschenrechte wurde eingerichtet. Die unmittelbar darauffolgenden Bürgerkriege auf dem Balkan und in Afrika und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen beendeten diese kurze Phase der Euphorie. Diese Konflikte stürzten die Vereinten Nationen in eine Krise, die vor allem die Friedenssicherung und das System zum Schutz der Menschenrechte betraf und nachhaltig zu dessen schlechten Ruf beitrug.[20] Von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben bis 2013 160 Staaten den Sozialpakt und 167 Staaten den Zivilpakt ratifiziert.
Trotz dieser breiten Akzeptanz der Verträge ist ihre Bedeutung für die Geschichte der Menschenrechte im 20. Jahrhundert umstritten. Manfred Nowak, ehemaliger Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, urteilt verhalten optimistisch und bezeichnet die Verträge als »the most authoritative expression of the contemporary and universally accepted minimum standard of human rights.«[21] Christian Tomuschat, ebenfalls Völkerrechtler und von 1977-1986 Mitglied des UN-Menschenrechtsausschusses betont die Bedeutung des Zivilpaktes auf nationaler Ebene: »When today anywhere in the world a national constitution is framed, the CCPR serves as a natural yardstick for the drafting of a section on fundamental rights.«[22] Für Stephan Hobe haben die Pakte »zum ersten Mal auch weltweit bindende Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf Menschenrechte geschaffen« und sind damit »am ehesten geeignet, den ›Souveränitätspanzer‹ der Staaten aufzubrechen«.[23] Neben diesen positiven Einschätzungen, die die normative Wirkung der Pakte hervorheben, gibt es aber auch zahlreiche kritische Stimmen. Politikwissenschaftler, Menschenrechtsaktivisten und sogar der ehemalige UN Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali kritisieren die zahlreichen Unzulänglichkeiten und Schlupflöcher in den Verträgen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, weiterhin Menschenrechte zu missachten.[24]
Auch in der Geschichtswissenschaft zeichnet sich ein eher skeptisches Meinungsbild ab. Laut Paul Kennedy und Jan Eckel stellen die Pakte zwar eine konsolidierte, spezifischere Deklaration der Menschenrechte als die Allgemeine Erklärung dar, verschaffen diesen eine größere Öffentlichkeit und machen sie besser messbar. Zugleich betonen aber beide, dass diese normative Expansion der Menschenrechte durch die Verträge nicht zwingend mit einer verbesserten Einhaltung einherging. Zudem zeigen historische Studien, wie die Menschenrechte im Allgemeinen und die Menschenrechtspakte im Speziellen immer wieder für politische Ziele funktionalisiert und instrumentalisiert wurden. Beide Verträge sind das Produkt teilweise widersprüchlicher politischer und gesellschaftlicher Prozesse; ihre Bedeutung unterliegt einem stetigen historischen Wandel.[25]
Nowak, Manfred: U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary, 2nd rev. ed. Kehl am Rhein 2005.
Kinley, David / Saul, Ben / Mowbray, Jaqueline: The International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights. Commentary, Cases, and Material. Oxford 2014.
Nowak untersucht in seinem 1989 in erster Auflage erschienenen juristischen Kommentar zum UN Zivilpakt dessen Anwendung im Rahmen des UN-Menschenrechtsausschusses und unterstreicht die normative Bedeutung des Paktes als allgemein anerkannter Mindeststandart der Menschenrechte. Für den Sozialpakt wurde erst 2014 ein umfassender Kommentar von David Kinley, Ben Saul und Jaqueline Mowbay vorgelegt. Die Autoren setzten sich darin vor allem mit der praktischen Anwendung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte im Rahmen des Sozialpakte auseinander. Sie argumentieren, dass sich diese Rechte zu international anerkannten und vor allem praktisch umsetzbaren Rechtsnormen entwickelt haben.
Eckel, Jan: Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern. Göttingen 2014.
Moyn, Samuel: Last Utopia. Human Rights in History. Cambridge 2010.
Diese beiden Standardwerke zur Geschichte der Menschenrechte befassen sich jeweils kurz mit der Entstehung der beiden Menschenrechtspakte. In Samuel Moyns revisionistischer Ideengeschichte zur Genese der Menschenrechte als hegemoniale Utopie des liberalen Internationalismus des 20. Jahrhunderts wird vor allem die Rolle der Staaten des Globalen Südens für die beiden Menschenrechtspakte untersucht. Er bekräftigt dabei die ambivalente Rolle der Afro-Asiatischen Staaten, welche zwar zum einen die Menschenrechte für ihren Antikolonialismus instrumentalisierten, damit aber zugleich die Fertigstellung der beiden Pakte forcierten. Moyn identifiziert damit den Antikolonialismus und das Streben nach nationaler Souveränität als treibende Kraft, welche die Fertigstellung beider Pakte ermöglichte und weniger die Vorstellung universeller Normen. Jan Eckel befasst sich hingegen aus internationaler und transnationaler Perspektive mit der Etablierung der Menschenrechte in der internationalen Politik. Für Eckel sind die langjährigen Verhandlungen über die beiden Pakte ein »Beleg für die Stagnation der Menschenrechtsarbeit in der langen Frühphase« (S. 109) der Vereinten Nationen.
Normand, Roger / Zaidi, Sarah: Human Rights at the UN. The Political History of Universal Justice. Bloomington 2008.
Das Buch der beiden Menschenrechtsaktivisten Roger Normand and Sarah Zaidi entstand im Rahmen des United Nations Intellectual History Project und bietet im zweiten Kapitel u.a. eine ausführliche und historisch kritische Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte der beiden Menschenrechtspakte. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass Inhalt und Form der Verträge nicht das Resultat philosophischer oder juristischer Überlegungen und Theorien sind, sondern den Zufälligkeiten und der Kontingenz historischer, politischer und ideologischer Auseinandersetzungen geschuldet sind.
Boutros-Ghali, Boutros: The United Nations and Human Rights 1945-1995. New York 1995.
Burke, Roland: Decolonization and the Evolution of International Human Rights. Philadelphia 2010.
Eckel, Jan: Utopie der Moral, Kalkül der Macht. Menschenrechte in der globalen Politik seit 1945, in: Archiv für Sozialgeschichte 49 (2009), S. 437-485.
Fisch, Jörg: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Domestizierung einer Illusion. München 2010.
Gareis, Sven Bernhard / Varwick, Johannes: Die Vereinten Nationen, Aufgaben, Instrumente, und Reformen. Opladen ³2003.
Hobe, Stephan: Einführung in das Völkerrecht, 9. Aufl., Tübingen 2008; Kälin, Walter, Künzli, Jörg (Hg.): Universeller Menschenrechtsschutz. Der Schutz des Individuums auf globaler und regionaler Ebene. Basel 2013.
Kaufman, Natalie Hevener / Whiteman, David: Opposition to Human Rights Treaties in the United States Senate. The Legacy of the Bricker Amendment, in: Human Rights Quarterly 10:3 (1988), S. 309-337.
Kennedy, Paul: The Parliament of Man. The Past, the Present, and the Future of the United Nations. New York 2006.
Leemann, Ramon: Entwicklung als Selbstbestimmung. Die menschenrechtliche Formulierung von Selbstbestimmung und Entwicklung in der UNO, 1945-1986. Göttingen 2013.
Ders.: Pathos und Pathologie des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Individualbeschwerden vor dem UNO Menschenrechtsausschuß, in: Jörg Fisch (Hg.): Die Verteilung der Welt. Selbstbestimmung und Selbstbestimmungsrecht der Völker. München 2011, S. 191-223.
Mitoma, Glenn: Human Rights and the Negotiation of American Power. Philadelphia 2013.
Simpson, A.W. Brian: Human Rights and the End of Empire. Britain and the Genesis of the European Convention. Oxford 2001.
Tomuschat, Christian: International Covenant on Civil and Political Rights, United Nations 2008, URL: legal.un.org/avl/pdf/ha/iccpr/iccpr_e.pdf (15.05.2015).
Peter Ridder: Die Menschenrechtspakte, in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, herausgegeben vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, Mai 2015, URL: www.geschichte-menschenrechte.de/menschenrechtspakete/
Die Menschenrechtspakte
von Peter Ridder