Das „Statement of Principles of U.S. Firms with Affiliates in the Republic of South Africa“ wurde am 1. März 1977 von zwölf US-amerikanischen Unternehmen unterzeichnet. Es formuliert soziale und menschenrechtspolitische Richtlinien für Firmen, die Handelsbeziehungen mit dem vom Apartheidregime regierten Südafrika unterhielten oder dort Fabriken und andere Produktionsstätten besaßen. Die Richtlinien wurden als „Sullivan Principles“ bekannt, benannt nach ihrem Urheber Leon H. Sullivan, einem schwarzen Pfarrer und wichtigen Protagonisten des Civil Rights Movement, der das Dokument erarbeitet und seine Weiterentwicklung und Implementierung im darauffolgenden Jahrzehnt begleitete. Die Quelle ist ein Schlüsseldokument für die gesteigerte Aufmerksamkeit, die multinationale Konzerne in den menschenrechtspolitischen Kampagnen der siebziger Jahre erhielten, sowohl als potenzielle Menschenrechtsverletzer und Unterstützer repressiver Regime, als auch als „agents of change“, von denen erwartet wurde, eine eigenständige Rolle in gesellschaftlichen und politischen Veränderungsprozessen zu übernehmen. Die Sullivan Principles bildeten einen wichtigen Ausgangspunkt für zahlreiche weitere Codes of Conducts und andere Maßnahmen der Corporate Social Responsibility, die bis heute das Feld der Wirtschafts- und Unternehmensethik prägen. Zugleich verweist die Wirkungsgeschichte der Prinzipien auf die immensen Probleme, die sich bei der Implementierung solcher Regeln und der Evaluation der hiermit verbundenen sozialen und menschenrechtspolitischen Fortschritte ergaben.
Entstehungsgeschichte
Inhalt
Wirkungsgeschichte
Kommentierte Literaturliste:
Weitere Literatur
Im Jahr 1971 wurde auf der Hauptversammlung von General Motors eine Resolution eingebracht, die alle amerikanischen Firmen aufforderte, ihre Aktivitäten in Südafrika einzustellen. Leon Sullivan war das einzige Mitglied des Aufsichtsrats von General Motors, das die Resolution unterstützte und damit großes Aufsehen erregte. Sullivan beschäftigte sich auch in den folgenden Jahren mit dem Thema und reiste u.a. im Jahr 1975 selbst nach Südafrika, um sich vor Ort mit lokalen Akteuren auszutauschen. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte er in der Folge ein Konzept, das sich von dem Ansatz eines völligen Rückzugs der Unternehmen aus Südafrika löste und die Firmen stattdessen aufforderte, als „agents of change“ zu agieren und insbesondere auf die Durchsetzung von Prinzipien des Antirassismus und der Gleichberechtigung hinzuwirken. Zusammen mit dem Vorsitzenden von IBM und dem Geschäftsführer von General Motors organisierte er 1976 ein Treffen mit US-amerikanischen Firmenchefs, um für Unterstützung für einen Richtlinienkatalog zu werben, der ein Jahr später als Selbstverpflichtung von zwölf führenden amerikanischen Konzernen – neben IBM und General Motors u.a. Citibank, Ford, Mobil und Union Carbide – veröffentlicht wurde.[1]
Dieser ereignisgeschichtliche Abriss bedarf einer genaueren historischen Kontextualisierung. Zu erklären ist, warum mit Leon Sullivan überhaupt ein schwarzer Bürgerrechtler in den Aufsichtsrat von General Motors gelangt war, aus welchen Gründen auf der Hauptversammlung des Unternehmens über eine Resolution zur Apartheid-Politik abgestimmt wurde, und warum sich in der Folge – trotz einer fast einstimmigen Ablehnung der Resolution – General Motors und weitere Unternehmen bereitfanden, einer Selbstverpflichtung für das eigene Unternehmenshandeln in Südafrika zuzustimmen. Drei Kontextualisierungen sind hierfür von besonderer Bedeutung: erstens der Aufstieg Südafrikas zum cause célèbre des globalen menschenrechtspolitischen Engagements, zweitens eine gesteigerte Aufmerksamkeit innerhalb der Menschenrechtsbewegung für globale Wirtschaftsunternehmen und neue Formen des Protests wie des shareholder activism, sowie drittens die Biographie Sullivans selbst und insbesondere seine Erfahrungen im Kontext des amerikanischen Civil Rights Movements.
Südafrika bildete über mehr als vier Jahrzehnte hinweg einen Angelpunkt des transnationalen Menschenrechtsengagements.[2] Von den frühen Protesten innerhalb der UN in den vierziger Jahren über die Boykottaufrufe und die Entstehung von Anti-Apartheid-Bewegungen seit 1960 bis zu den Sanktionsmaßnahmen einzelner Staaten insbesondere in den achtziger Jahren blieb Südafrika immer ein zentrales Thema internationaler Debatten und Kampagnen. Ein wichtiger Aspekt waren die engen wirtschaftlichen Beziehungen, die viele westliche Staaten mit Südafrika unterhielten. Dies sorgte dafür, dass schon früh die Aktivitäten westlicher Unternehmen in den Fokus der Kampagnen gerieten. Die Boykottkampagnen waren einerseits darauf gerichtet, Staaten zu Sanktionen und zum Abbruch ökonomischer und diplomatischer Beziehungen zu bewegen sowie andererseits Konzerne mit den dortigen Menschenrechtsverletzungen zu konfrontieren und zu einem Desinvestment und den Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen aufzufordern.
Das frühste Beispiel, das in den USA größere Aufmerksamkeit erlangte, waren die Proteste der „Students for a Democratic Society“ gegen Chase Manhattan und deren Kreditvergabe nach Südafrika. Die Studenten forderten u.a. die Fonds der eigenen Universitäten auf, ihre Anteile an Chase Manhattan zu entäußern und auf diese Weise ökonomischen Druck aufzubauen. Ein zweites Beispiel war Polaroid. Das Unternehmen geriet um das Jahr 1970 in den Fokus von Protesten, weil sie das technische Equipment für die Herstellung der berüchtigten Pässe für die schwarze Bevölkerung in Südafrika bereitstellten. In einer PR-Kampagne reagierte das Unternehmen auf die Vorwürfe und entwarf ein als „Experiment“ beschriebenes Programm, mit dem sie versuchen wollten, den eigenen Einfluss in Südafrika für gesellschaftliche Veränderungen zu nutzen.[3]
Dass sich Firmen zu solchen Stellungnahmen und Kampagnen gedrängt sahen, war keineswegs selbstverständlich und steht im Kontext mehrerer miteinander verflochtener Entwicklungen und Motivlagen. Den ersten Kontext bildete das amerikanische Civil Rights Movement. Es war einerseits eine wichtige Referenz für viele der neuen Proteststrategien dar, die nun auch im Kontext der Anti-Apartheid-Bewegung eingesetzt wurden. Darüber hinaus stellte aber auch Sullivan selbst eine wichtige Brücke zwischen der Bürgerrechtsbewegung und den menschrechtspolitisch motivierten Kampagnen gegen das südafrikanische Apartheidregime dar.
Sullivan war in den fünfziger Jahren nach einer Zwischenstation in Harlem als Pastor nach Philadelphia gekommen. Hier kam er eng mit dem Civil Rights Movement in Verbindung und richtete seine Initiativen in erster Linie auf Programme einer ökonomischen und sozialen Verbesserung der Situation von African Americans im lokalen Umfeld. Eine wichtige Rolle spielte hierbei der Aufbau des „Opportunities Industrialization Center“, eines Ausbildungsprogramms, das African Americans bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen sollte. Innerhalb eines von ihm initiierten „Selective Patronage“-Programms schlossen sich circa 400 Pfarrer zusammen, um in lokalen Firmen für die Aufnahme und die bessere Integration schwarzer Arbeitskräfte zu kämpfen – u.a. indem man auf Formen des ökonomischen Drucks wie Boykottaktionen zurückgriff. Auf nationaler Ebene setzte Sullivan diese Projekte dann ab 1962 im Auftrag von Martin Luther King und der Southern Christian Leadership Conference im Kontext der sogenannten „Operation Breadbasket“ fort.[4] Diese Kampagnen sind für das Civil Rights Movement vor allem deshalb interessant, weil sie neben den klassischen Bürgerrechten auch die Dimension von ökonomischen und sozialen Rechten als wichtiges Ziel in den Fokus rückten. Sullivan argumentierte in diesem Sinne in seinem Buch Alternatives to Despair: „To be truly emancipated, a man must be emancipated economically as well as psychologically and physically".[5]
Sullivan war insofern schon während seiner Zeit in der Bürgerrechtsbewegung für die Bedeutung sozio-ökonomischer Rechte und die Probleme adäquater ökonomischer Partizipationschancen für African Americans und anderer Minderheiten in der amerikanischen Gesellschaft sensibilisiert worden. Dass er dieses Anliegen in der Folge auch bei General Motors als der damals umsatzstärksten amerikanischen Firma weiterverfolgen konnte, ist nicht zuletzt mit der gesteigerten Aufmerksamkeit zu erklären, die ökonomische Akteure und insbesondere multinationale Konzerne seit etwa 1970 innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit erhielten. Während Arbeiten zur Wirtschafts- und Unternehmensethik diese Entwicklung in die Tradition neuer Konzepte der „Corporate Social Responsibilty“ seit den fünfziger Jahren einordnen,[6] lässt sich für den vorliegenden Kontext eher auf die entscheidende Bedeutung des öffentlichen Drucks durch zivilgesellschaftliche Kampagnen und eine eher reaktive bis abwehrende Haltung der meisten Konzerne verweisen. In den frühen siebziger Jahren gerieten global agierende Konzerne mehr und mehr in die Kritik, und sowohl innerhalb der UN als auch in den USA wurden – letztlich wenig erfolgreiche – Versuche einer Verrechtlichung der Investitionen und Handelsaktivitäten von Unternehmen diskutiert.[7] Es war dabei nicht zuletzt Südafrika und die dortige Präsenz westlicher Unternehmen, das zu einem öffentlichkeitswirksamen Symbolort für eine generelle Kritik an multinationalen Konzernen als Unterstützer und Profiteure repressiver Staaten wurde.
Diese Kritik wurde auch in zivilgesellschaftlichen und menschenrechtspolitischen Kampagnen aufgegriffen. So erweiterte beispielsweise Ralph Nadar mit dem „Project on Corporate Responsibilty“ seine Verbraucherschutzinitiativen auf soziale und menschenrechtliche Fragestellungen. Auch Konsumboykotte spielten eine wichtige Rolle, um Unternehmen einem „naming and shaming“ auszusetzen – beispielsweise im Kontext der Vietnamkriegsproteste oder dem Nestlé-Boykott. So hatte die amerikanische Anti-Kriegsbewegung zum Boykott der Produkte von Dow Chemicals aufgerufen – jener Firma, die auch das in Vietnam eingesetzte Napalm produzierte. Der Erfolg dieses Boykotts hielt sich jedoch in Grenzen, insbesondere weil Dow Chemical nur wenige Produkte herstellte, die direkt von privaten Konsumenten gekauft wurden und viele Menschen kaum auf die Idee kamen, eine Verbindung zwischen dem Krieg in Vietnam und dem Kauf von „Saran Warp“-Frischhaltefolien herzustellen. Sehr viel erfolgreicher war der einige Jahre später initiierte Boykott von Nestlé in den USA und Westeuropa. Hier ging es um den Vorwurf, Nestlé und andere Firmen würden in der „Dritten Welt“ mit unlauteren Methoden Babymilch und andere Babynahrung vermarkten und auf diese Weise indirekt für den Tod hunderttausender Säuglinge verantwortlich sein.[8] Die hiermit verbundenen Kampagnen, die auch von der UN und der WHO aufgegriffen und begleitet wurden, resultierten in der Tat in sehr viel strengeren Regulierungen der Werbe- und Vermarktungsmethoden. Auch die Anti-Apartheid-Bewegung war selbstverständlich mit einem über mehrere Jahrzehnte aufrechthaltenden Konsumboykott verbunden. Für den Kontext der Sullivan Principles war jedoch eine andere Protestform von ungleich größerer Bedeutung: die Etablierung und strategische Einsatz neuer Formen des shareholder activism.
Während – wie oben dargestellt – die „Students for a Democratic Society“ die Universitäten als einflussreiche Investoren aufgefordert hatten, soziale Kriterien in das eigene Handeln zu integrieren, bildete sich mit dem „Interfaith Center for Corporate Responsibility” zu derselben Zeit auch ein Zusammenschluss kirchlicher Investoren, die den finanziellen Einfluss ihrer Institutionen dazu nutzen wollten, um Firmen zu größerer Transparenz und zur Einhaltung bestimmter Standards zu verpflichten. Auch Ralph Nadar nutzte in seinem „Project on Corporate Responsibility“ die Strategie, Anteile oder einzelne Aktien an einer Firma zu erwerben, um auf diese Weise als „kritischer Aktionär“ die Jahresversammlungen als Bühne für die eigene Kritik zu nutzen. Sullivan war 1971 überhaupt nur in den Aufsichtsrat von General Motors gelangt, weil Nadar ein Jahr zuvor genau auf diese Weise auf der Generalversammlung von General Motors dagegen protestiert hatte, dass sich bei General Motors kein einziger African American im Aufsichtsrat befände. Darüber hinaus wurde der Einsatz solcher Formen des shareholder activism auch durch eine neue gesetzliche Regelung begünstigt: Ebenfalls im Jahr 1970 hatte die „US Security and Exchange Commission“ entschieden, dass es legitim sei, „public interest resolutions“ in die Jahresversammlungen von Unternehmen einzubringen.[9] Auf dieser Basis etablierten sich in den folgenden Jahren zahlreiche Kritische Aktionäre, die Aufsichtsratssitzungen nutzten, um auf soziale oder ökologische Probleme innerhalb von Unternehmen hinzuweisen. Auch die Diskussion über die Präsenz von General Motors in Südafrika konnte erst auf Basis dieser neuen gesetzlichen Regelung auf die Agenda der Jahresversammlung gesetzt werden.
In den siebziger Jahren war auf diese Weise eine Situation entstanden, in der global agierende Konzerne einem gesteigerten öffentlichen Druck ausgesetzt waren und neuen Formen des Protestes und der Einflussnahme entstanden waren. Für Leon Sullivan ergab sich auf diese Weise ein so kaum vorhersehbares Möglichkeitsfenster, um innerhalb eines der führenden amerikanischen Unternehmen soziale Veränderungen umzusetzen. Das Thema Südafrika stand dabei zunächst überhaupt nicht zur Debatte. Vielmehr schloss sein Engagement bei General Motors eng an seine vorherigen Kampagnen und Ziele an und war in erster Linie darauf gerichtet, die Arbeits- und Aufstiegschancen für African Americans und andere Minderheiten innerhalb von General Motors zu verbessern. Dass Südafrika in der Folge zu einem so zentralen Thema seines Engagements werden sollte, kam insofern völlig ungeplant. Unverkennbar ist aber, dass Sullivan seine Erfahrungen aus dem Civil Rights Movement und das Primat ökonomisch-sozialer Veränderungen als Prämisse seines dortigen Engagements übernahm. Zwar hatte er 1971 die Resolution für einen generellen Rückzug amerikanischer Firmen aus Südafrika unterstützt. Der von ihm erarbeitete Verhaltenskodex zielte dann aber genau in die andere Richtung: Firmen sollten sich nicht aus Südafrika zurückziehen, sondern vor Ort soziale und politische Veränderungen vorantreiben. Hiermit standen seine Vorschläge in Spannung zu den Forderungen vieler Akteure innerhalb der Anti-Apartheid-Bewegung, die die Isolierung Südafrikas zum zentralen Ziel erklärt hatten und sich immer wieder gegen das Argument vieler Unternehmen verwahrten, die Situation der schwarzen Mehrheitsbevölkerung würde durch einen Rückzug westlicher Unternehmen nur noch hoffnungsloser werden.
Insgesamt ist Sullivans Fokussierung auf ökonomische und soziale Rechte sowie sein Argument, dass die reale Inanspruchnahme bürgerlicher Rechte untrennbar mit dieser ökonomischen Dimension verbunden sei, eine interessante und für die Forschung herausfordernde Perspektive. Gerade innerhalb der Menschenrechtsgeschichte sind diese ökonomischen und sozialen Dimensionen zuletzt verstärkt in den Fokus geraten (Siehe zum Beispiel das Forschungsnetzwerk „Socioeconomic Rights in History“ an der University of Warwick: www2.warwick.ac.uk/fac/arts/history/ghcc/research/serhn). Kritisch zu fragen ist jedoch, ob Sullivans Übertragung der eigenen Konzepte aus dem Civil Rights Movement auf die Situation in Südafrika wirklich einen erfolgversprechenden Ansatz darstellte oder in letzter Konsequenz eher gegenteilige Effekte zeitigte. Während es für die USA eine wichtige Erinnerung darstellte, dass mit der Gewährung bürgerlicher Rechte noch keineswegs eine Gleichberechtigung der Lebenschancen erreicht war, bestand in Südafrika die Gefahr, die menschenrechtspolitischen Ziele eher aus dem Blick zu verlieren und mit dem Richtlinienkatalog ungewollt eine Legitimation für die weitere Präsenz amerikanischer Unternehmen in Südafrika zu erschaffen. Welche Dimension dominierte, kann nur auf der Basis einer genaueren Betrachtung der konkreten Implementierung in den Blick genommen werden.
Die Sullivan Principles bestehen aus einem kurzen Einleitungsabschnitt, sechs konkreten Verpflichtungen, sowie einem abschließenden Satz, der die mit den Prinzipien verfolgten Ziele zusammenfasst. Dem Text ist deutlich anzumerken, dass er aus einem Kompromiss zwischen Sullivan und den unterzeichnenden Unternehmen entstanden ist. Insbesondere hielt er sich an die von den Unternehmen gestellte Bedingung, keine Forderungen zu formulieren, die in direktem Widerspruch zu südafrikanischen Gesetzen standen.[11] Der Text vermied sowohl das Wort Apartheid als auch Begriffe wie Rechte oder Menschenrechte sowie allgemein jeden Hinweis auf konkrete politische Aussagen. Auch der abschließende Satz beließ es bei der äußerst allgemeinen Formulierung, die Prinzipien seien „consistent with respect for human dignity and will contribute greatly to the general economic welfare of all the people of the Republic of South Africa“.
Statt auf politische Aussagen und Willensbekundungen konzentrierten sich die Prinzipien auf konkrete Maßnahmen in Bezug auf Lohn, Arbeitsbedingungen und Unternehmenshandeln. Dies war insofern naheliegend, weil die meist katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen und die häufig eklatante Unterschreitung von Mindestlöhnen für schwarze Südafrikaner das gesamte System der südafrikanischen Wirtschaft prägte und auch zeitgenössisch in Europa und den USA als Skandal medial sehr präsent waren.[12] Innerhalb der westlichen Anti-Apartheid-Bewegung war die Fokussierung auf ökonomische Verbesserungen jedoch durchaus problematisch: hier wurde meist sehr eindeutig auf die rechtliche Gleichstellung der schwarzen Bevölkerung als zentrales Ziel fokussiert und die vermeintliche Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen oft sogar als bloße Schutzbehauptung westlicher Unternehmen interpretiert, die damit ihre fortgesetzte Präsenz in Südafrika moralisch legitimieren wollten.
Allerdings sollte die Gegenüberstellung politischer und soziale Rechte gerade für die Sullivan Principles nicht zu sehr betont werden. Obwohl letztere eindeutig den Fokus der Bestimmungen bildeten, besaßen die Richtlinien im Fall einer substanziellen Umsetzung durchaus das Potenzial, die beteiligten Unternehmen zu Orten zu machen, an denen auch das politische System der Apartheid im konkreten Arbeitsalltag kritisiert und unterminiert werden konnte. So wurde im ersten Grundsatz die „nonsegregation of the races in all eating, comfort, and work facilities“ festgesetzt; die beiden folgenden Richtlinien verlangten gleiche und faire Anstellungsverhältnisse sowie gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit für alle Angestellten einer Firma. Außerdem verlangten die Richtlinien die Einrichtung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Steigerung der Zahl nichtweißer Angestellter „in management and supervisory positions“. Die sechste Richtlinie war die einzige, die über den Kontext des eigenen Firmengeländes hinausging und eine allgemeine Verbesserung der Lebensqualität der Angestellten in den Bereich Unterkunft, Verkehr, Schule, Freizeit und Gesundheitswesen forderte.
Der Text ist insofern typisch für viele Dokumente der Menschenrechtsgeschichte, als er zunächst nur relativ allgemeine Ziele und Willensbekundungen formuliert. Es greift daher zu kurz, allein nach den inhaltlichen Aussagen des Ausgangstextes zu fragen. Stattdessen muss nach den Konkretisierungen, Erweiterungen und Implementierungen des Dokumentes gefragt werden, oder kurz gesagt: nach der sozialen und ökonomischen Dynamik, die der Text auszulösen vermochte. Zwei Aspekte sind hierbei von zentraler Bedeutung: einerseits die inhaltliche Weiterentwicklung der Richtlinien in den folgenden Jahren, und andererseits die Versuche der Implementierung vor Ort und deren regelmäßige Kontrolle und Evaluation.
Sullivan selbst hatte die Richtlinien von Beginn an als ein dynamisches Konzept entworfen, das sich weiterentwickeln und wenn möglich in den formulierten Zielen erweitern sollte. Unter dieser Perspektive war er in der ursprünglichen Verabschiedung auch zu bestimmten Kompromissen bereit gewesen. In der Tat lassen sich in den folgenden Jahren zahlreiche Bemühungen um eine Konkretisierung und Erweiterung erkennen. Wichtigster Baustein hierfür waren sogenannte amplifications, die aus den allgemeinen Richtlinien konkrete Standards und Handlungsanweisungen ableiten sollten. So wurde in der ersten Erweiterung von 1978 die Abschaffung der Rassentrennung u.a. durch die Forderung konkretisiert, alle „race designation signs“ in den Fabriken zu entfernen. Die Forderung nach gleichen Arbeitsbedingungen beinhaltete u.a. Regelungen zu Gewerkschaftsmitgliedschaft, Rentenleistungen und der Einrichtung eines Beschwerdemechanismus, während die Forderung nach gleicher Bezahlung u.a. in der Schaffung eines transparenten „salaray administration plan“ konkretisiert wurde, der die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Tätigkeiten gewährleisten sollte.
Darüber hinaus formulierte das Dokument konkrete Vorgaben, wie die Unternehmen über ihre Fortschritte berichten sollten. Ein wichtiger Anspruch der Sullivan Principles war es, die Einhaltung der Prinzipien unabhängig und professionell zu überwachen und an kontinuierlich erhobene „objective performance measures“ zu knüpfen. Als erste Instanz der Überwachung wurde das International Council of Equal Opportunities Principles geschaffen, dem vor allem Kirchenführer und andere Personen der Zivilgesellschaft angehörten. Das Gremium hatte zwar große moralische Glaubwürdigkeit, war aber zu groß und zu wenig in die tägliche Arbeit involviert, um wirklich Einfluss zu gewinnen. Von entscheidender Bedeutung wurde stattdessen die Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little, deren Verantwortlicher Reid Weedon nach kurzer Zeit relativ unabhängig von der Aufsicht Sullivans die praktische Arbeit der Kontrolle und Evaluation übernahm. Die Übertragung dieser entscheidenden Aufgabe an eine kommerzielle Unternehmensberatung und die Nichtbeteiligung anderer Kräfte wie lokaler Akteure, Gewerkschaften und der Anti-Apartheid-Bewegung schwächten von Beginn an die Glaubwürdigkeit der Prinzipien.[13]
In der Forschung existieren mehrere Studien, die versucht haben, den Einfluss der Sullivan Principles in Südafrika zu evaluieren. Deren Ergebnisse sind meist eher ernüchternd. Während Daniel Purnell in einem Beitrag aus dem Jahr 1984 die sozialen Fortschritte und die politische Symbolkraft der Prinzipien betont,[14] schätzen Alexandra Bernasek und Richard C. Porter den Einfluss der Richtlinien auf lokale Arbeitsbedingungen als bestenfalls bescheiden ein und argumentieren, dass Unternehmen in Südafrika keine machtvolle Kraft sozialen Wandels dargestellt hätten.[15] Auch Prakash Sethi und Oliver Williams kommen in ihrem Standardwerk zu den Sullivan Principles zu einem zwiespältigen Ergebnis: Zwar interpretieren sie die Verabschiedung des Dokuments als einen entscheidenden Moment für die Durchsetzung sozialer Richtlinien für Unternehmen,[16] argumentieren aber auch, dass die Richtlinien weit hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben seien. Ihr Fokus habe zu stark auf Praktiken der karitativen Hilfe und des Community Development gelegen, während in Bezug auf die Kerntätigkeiten der Unternehmen – also Arbeitsbedingungen, Ausbildungsmaßnahmen, Aufstiegschancen, Unterstützung lokalen Partnerunternehmen – die Forderungen nicht weitreichend genug formuliert oder eingefordert worden seien.[17] Auch Gay Seidman hat in diesem Sinne argumentiert, dass viele Unternehmen sich relativ schnell auf die Bereitstellung finanzieller Mittel für externe Projekte konzentriert hätten, während sie strukturellen Veränderungen innerhalb des eigenen Unternehmens oft eher mit Ablehnung begegnet seien.[18]
Auch wenn die Kritik an der Umsetzung der Prinzipien schon zeitgenössisch verbreitet war, war dies nicht der entscheidende Grund für deren letztendliches Ende. Eher lässt sich argumentieren, dass ein kooperativer Ansatz als Mittel der sozialen Veränderung für Südafrika in den achtziger Jahren im Ganzen an Zustimmung verlor. Einerseits spitzte sich die politische Situation in Südafrika weiter zu und fand ihren Höhepunkt in der „Rubikon-Rede“ von Präsident Botha und dessen Erklärung des Ausnahmezustands im Sommer 1985. Vor allen Dingen hatte sich aber der politische Kontext in den USA selbst signifikant verändert. Die Sullivan Principles waren 1977 im ersten Amtsjahr Jimmy Carters verabschiedet worden und standen implizit im Kontext seines Versuchs einer moralischen Erneuerung der amerikanischen Politik.[19] Ein knappes Jahrzehnt später und vor dem Hintergrund der Präsidentschaft Ronald Reagans drohte Sullivans Ansatz einer graduellen Verbesserung der Lebens- und Arbeitschancen dagegen zu einem rückwärtsgewandten Konzept zu werden, das enge Überschneidungen mit Reagans Schlagwort des „constructive engagement“ aufwies, mit dem dieser kaum verhohlen eine Normalisierung und Unterstützung des weißen Minderheitsregimes in Südafrika zu legitimieren versuchte.[20] Die Sullivan Principles drohten in diesem Kontext zu einer „corporate camouflage“ für die Aufrechterhaltung ökonomischer Beziehungen mit dem südafrikanischen Staat zu werden.[21]
Eine erste Reaktion hierauf war die einzige Ergänzung der Sullivan Principles, die im Jahr 1984 vorgenommen wurde. Sie forderte Firmen auf, sich für die Abschaffung von Gesetzen einzusetzen, die die soziale, politische und ökonomische Gleichheit behinderten. Zwar wurde hiermit der Forderung nach einer eindeutigeren politischen Positionierung zum Teil entsprochen. Wie eine solche Verpflichtung konkret umgesetzt und kontrolliert werden sollte, blieb aber letztlich völlig unklar. Kurz darauf verschärfte Sullivan den Druck: Im Mai 1985 formulierte er ein öffentliches Ultimatum und forderte den südafrikanischen Staat auf, das Apartheidsystem vollkommen aufzulösen. Andernfalls würde er alle Unternehmen auffordern, sich vollkommen aus Südafrika zurückzuziehen. Als eine Reaktion hierauf ausblieb zog er seine Unterstützung für die von ihm formulierten Richtlinien im Ganzen zurück und argumentierte, dass die weitere Präsenz amerikanischer Firmen in Südafrika nur noch als eine Form der Unterstützung für das südafrikanische Regime und das System der Apartheid interpretiert werden könne.[22]
Vom Ende her betrachtet erscheint es somit mehr als zweifelhaft, ob es den Sullivan Principles wirklich gelang, amerikanische Unternehmen in Südafrika zu „agents of change“ zu machen, die durch ihre Präsenz vor Ort die ökonomische Situation der schwarzen Bevölkerung signifikant zu verbessern und zugleich das System der Apartheid politisch zu delegitimieren vermochten. Ursprünglich als eine Alternative zu zeitgenössischen Forderungen eines kompletten Rückzugs von Unternehmen aus Südafrika entstanden, kehrte Sullivan selbst Mitte der achtziger Jahre den Richtlinien den Rücken und schloss sich (erneut) den Forderungen nach einem kompletten Desinvestment an.
Auf der anderen Seite gelten die Sullivan Principles jedoch zu recht bis heute als wichtige Referenz für die Implementierung sozialer und menschenrechtlicher Richtlinien im Kontext globaler Marktökonomien. Für Prakash Sethi bilden sie einen „paradigm shift in business-society relations in which corporations were expected to justify their actions not only on economic grounds but also on ethical and moral grounds”.[23] Zwar kann hier eingewendet werden, dass solche Forderungen durchaus länger zurückreiche Traditionslinien bis in das 19. Jahrhundert aufweisen; neu war jedoch in der Tat die Tatsache, dass diese Forderungen nun im Kontext einer globalen Ökonomie erhoben und von transnationalen NGOs eingefordert und kritisch begleitet wurden. Unter dieser Perspektive lassen sich eine optimistische und eine eher skeptische Sichtweise auf die Lehren aus dem Experiment der Sullivan Principles formulieren: Auf der einen Seite zeigt das Beispiel, dass Unternehmen unter hinreichendem öffentlichen Druck durchaus bereit und fähig waren, soziale, politische und menschenrechtliche Kriterien in das eigene Unternehmenshandeln zu integrieren. Auf der anderen Seite wurde recht deutlich, dass die substanziell messbaren Erfolge dieser Initiativen relativ gering und unsicher blieben – insbesondere in Hinblick auf greifbare politische Veränderungen.
Konkret lassen sich drei Ebenen benennen, auf denen die Sullivan Principles bleibende Wirkungen hinterließen. Zunächst sind die Projekte und Veränderungen in Südafrika selbst zu nennen, die im Detail – über lokale Hilfsleistungen, Veränderungen des Arbeitsalltags, Stipendien und Aufstiegschancen etc. – für viele Individuen und deren soziales Umfeld wichtig waren. Der Einfluss dieser Maßnahmen wird in der Forschung zwar wie dargestellt eher zwiespältig eingeschätzt, ist aber selbstverständlich nicht rundheraus beiseitezuschieben.
Ebenso schwierig ist es, den Einfluss der Sullivan Principles auf den politischen Diskurs über Südafrika innerhalb der USA zu bewerten. Die Sullivan Principles bildeten relativ schnell eine einflussreiche moralische Richtlinie, der sich viele Unternehmen in der Folge nicht mehr entziehen konnten. Von den ursprünglichen 12 Erstunterzeichnern stieg deren Zahl bis 1982 auf 130, später dann auf mehr 150 Unternehmen.[24] Auch auf politisch-administrativer Ebene fanden die Prinzipien eine partielle Fortsetzung. Mit dem Anti-Apartheid Act von 1986 wurde es beispielsweise US-Firmen untersagt, Praktiken der Rassentrennung irgendwo auf der Welt in dem eigenen Unternehmen zu dulden – ein Gesetz, das im Übrigen nur durch eine Überstimmung Ronald Reagans durch den amerikanischen Kongress zustande kam. Auf der anderen Seite blieb der Vorwurf insbesondere aus dem Kontext der Anti-Apartheid-Bewegung, die Richtlinien würden den Unternehmen nur als Legitimation dienen, um weiterhin Profite in Südafrika zu machen und das Apartheidsystem auf diese Weise aufrechtzuerhalten, über den gesamten Zeitraum hinweg virulent.
Drittens stellen die Sullivan Principles unbestreitbar einen Schlüsseltext für die Etablierung neuer Formen der Verantwortungszuschreibung an Unternehmen dar. Die Prinzipien bilden eine wichtige Referenz für aktuelle wirtschafts- und unternehmensethische Ansätze und hiermit verbundene Praktiken der Corporate Social Responsibiliy. Sie sind ähnlich wie Howard R. Bowens The Social Responsibilities of the Businessman zu einem symbolischen Erinnerungsort geworden, mit dem die moralische Verantwortung von Unternehmen in eine längere historische Kontinuität eingeordnet werden kann. Wichtigster Ausdruck hiervon sind die 1999 von dem damaligen UN Generalsekretär Kofi Annan zusammen mit Leon Sullivan proklamierten „Global Sullivan Principles of Social Responsibility“, die Unternehmen auf der Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung auf die Einhaltung sozialer, arbeitsrechtlicher und menschenrechtlicher Standards verpflichten sollen.[25]
Aus historischer Perspektive ist diese enge Bezugnahme auf die Sullivan Principles als Vorbild und Referenz eher kritisch zu hinterfragen. In vielen Aspekten ist der Fall Südafrika gerade nicht repräsentativ, sondern exzeptionell im Vergleich zu heutigen Feldern, in denen über ähnliche Maßnahmen der Regulierung globaler Produktionsregime diskutiert wird. Die eklatante und offene Verletzung der Menschenrechte durch die südafrikanischen Gesetze, die immense Aufmerksamkeit, die das Thema in der zeitgenössischen Öffentlichkeit besaß und der außergewöhnlich große Druck, den die transnationale Anti-Apartheid-Bewegung über mehrere Jahrzehnte hinweg ausüben konnte, stellen Faktoren dar, die in den meisten aktuellen Diskussionen über verbesserte Sozial- und Arbeitsbedingungen nicht in derselben Weise gegeben sind. Das gilt beispielsweise für die „Anti-Sweatshop“-Kampagnen der neunziger Jahre oder für die Reaktionen auf den Einsturz des „Rana Plaza“-Fabrikgebäudes in Bangladesch im Jahr 2015, die zwar jeweils große mediale Aufmerksamkeit erhielten, aber keine ähnlich substanziellen Veränderungen in Unternehmenspolitiken und nationalen oder transnationalen Regulierungen hervorgebracht haben.[26]
Im Kontext der aktuellen Forschungen zur Menschenrechtsgeschichte eröffnen die Sullivan Principles den Blick auf mehrere Themenfelder, die aktuell stärker in den Fokus der Historiker rücken. Das gilt erstens für die Rolle von transnationalen Konzernen und anderen ökonomischen Akteuren im Kontext des Verhältnisses von Menschenrechten und globaler Ökonomie. Zweitens gilt dies für die aktuell wieder neu diskutierte Rolle sozialer und ökonomischer Rechte und die Überschneidungen zwischen Menschenrechten und den Feldern von Humanitarismus und Entwicklungspolitik. Drittens schließlich verweist das Fallbeispiel auf die Praktiken der Implementierung, Überwachung und Evaluation als eines zentralen Faktors in der Einschätzung des Einflusses menschenrechtspolitischer Agenden. Forderungen, sich noch stärker als bislang von ikonischen Texten, Deklarationen und politischen Verträgen zu lösen, finden hier ein hoch spannendes, wenn auch nicht einfach zu interpretierendes Quellengenre, sowie ein sich langsam etablierenden Forschungsfeld innerhalb der Sozialwissenschaften, an das sich historisch reflektiert anknüpfen ließe.[27]
Sethi, S. Prakash/Williams, Oliver F., Economic Imperatives and Ethical Values in Global Business: the South African Experience and International Codes Today, Boston 2000.
Das Buch von Prakash Sethi und Oliver Williams stellt zweifellos das Standardwerk zur Geschichte der Sullivan Principles dar. Beide Autoren waren selbst an Projekten der Implementierung der Prinzipien beteiligt. Das Buch ist Leon Sullivan gewidmet und enthält auch ein Vorwort von ihm. Es liegt also eine gewisse professionelle und persönliche Nähe zum Forschungsthema vor. Dem Buch gelingt aber dennoch eine reflektierte Distanz und kritische Beurteilung. Unverzichtbar ist das Buch aufgrund des privilegierten Quellenzugangs – sowohl in Bezug auf offizielle und interne Dokumente als auch durch Interviews mit wichtigen Akteuren.
Sullivan, Leon H., Moving Mountains. The principles and purposes of Leon Sullivan, Valley Forge 1998.
Leon Sullivan hat intensiv über sein Leben und seine verschiedenen beruflichen Stationen und sozialen Projekte berichtet (siehe auch die weiteren Bücher unten). Die Autobiographie Moving Mountains hat seinen Schwerpunkt in der Zeit seines Engagements im Civil Rights Movements, der Tätigkeit als Chairman von General Motors in den siebziger Jahren, sowie der Erarbeitung und Implementierung der Sullivan Principles nach seinem Besuch in Südafrika 1975. Darüber hinaus enthält das Buch umfangreiches Bildmaterial und einige wichtige zeitgenössische Quellen, wie z.B. die Rede, die Leon Sullivan 1980 an der Witwatersrand Universität in Südafrika gehalten hat. Seine Einschätzung des Erfolgs und Einflusses der Sullivan Principles auf das Ende des Apartheidsystems erscheint zum Teil etwas zu hoch gegriffen. Dennoch ist das Buch eine unverzichtbare Quelle um einen Einblick in zentrale Ereignisse und Entscheidungen sowie in die moralische und religiöse Motivation Leon Sullivans zu gewinnen.
Vogel, David, Lobbying the corporation: citizen challenges to business authority, New York 1978.
David Vogels Buch ist Quelle und wissenschaftliche Darstellung zugleich. Es reflektiert den allgemeinen Kontext, in den die Umsetzung der Sullivan Principles eingeordnet werden können. Vogel beschreibt, wie in den sechziger Jahren insbesondere im Kontext des Civil Rights Movements und der Proteste gegen den Vietnamkrieg amerikanische Unternehmen in den Fokus von Protestbewegungen gerieten und neue Formen des Protestes und der Einflussnahme entstanden. Insbesondere die Praktiken des Shareholder Activism, die Rolle von Kritischen Aktionären und die Integration von sozialen, politischen und moralischen Kriterien in die Investitionsentscheidungen von kirchlichen oder universitären Investitionsfonds werden hierbei als wichtige neue Formen des gesellschaftlichen Engagements beschrieben.
Bernasek, Alexandra/Porter, Richard C.: Private Pressure for Social Change in South Africa: The Impact of the Sullivan Principles, in: Review of Social Economy 55(1997) 2, S. 172–93.
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Die Sullivan Principles (1977)
von Benjamin Möckel