Quellenzur Geschichte derMenschenrechte

Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern (1998)

von Janika Spannagel

Wenige Monate vor der Verabschiedung der Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern durch die UN-Generalversammlung am 9. Dezember 1998 brachte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan ihren Kerngedanken auf den Punkt: „Wenn die Rechte von Menschenrechtsverteidigern verletzt werden, sind all unsere Rechte in Gefahr und wir sind alle weniger sicher“. Die Erklärung zielt darauf ab, Menschenrechtsaktivisten – darunter Anwälte, Journalisten, Gewerkschafter – die sich weltweit gegen Menschenrechtsverletzungen einsetzen, Anerkennung und Legitimation zu verleihen. Durch die Erklärung eines Rechtes auf das Verteidigen von Menschenrechten und seine Verknüpfung mit einem Anrecht auf Schutz sollen diese Tätigkeiten gestärkt werden. Angesichts anhaltender Verfolgung und Repression von Menschenrechtsverteidigern in vielen Teilen der Welt hat dieses Anliegen bis heute nichts an Relevanz eingebüßt. Dennoch gilt die Wirkungsgeschichte der Erklärung von 1998 als Erfolg: Die Verhandlungen stießen eine Debatte darüber an, dass zivilgesellschaftliche Akteure und Individuen nicht nur als passive Rechtsträger verstanden, sondern in ihrer mitunter entscheidenden Rolle als aktive Verteidiger der Menschenrechte anerkannt und gefördert werden sollten. Diese Auffassung führte schließlich auch zu institutionellen Veränderungen im UN-Menschenrechtssystem, in regionalen Organisationen und auch im NGO-Sektor.

Entstehungsgeschichte
Inhalt
Wirkungsgeschichte
Kommentierte Literaturliste
Sonstige verwendete Literatur

AutorIn
Janika Spannagel arbeitet am Global Public Policy Institute und promoviert an der Universität Freiburg zum internationalen Schutz von Menschenrechtsverteidigern.

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Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern

Entstehungsgeschichte

Die Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern[1] wurde im Rahmen der Feierlichkeiten des 50-jährigen Jubiläums der Allgemeinen Menschenrechtserklärung verabschiedet und beendete fast zwei Jahrzehnte teils sehr zäher Verhandlungen. Die erste Erwähnung des Themas findet sich bereits 1980 in einer Resolution der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, dem Vorgängerorgan des heutigen Menschenrechtsrats. Die Resolution 1980/23 rief alle Regierungen dazu auf, „Individuen und Organe der Gesellschaft zu ermutigen und darin zu unterstützen, ihre Rechte und Verpflichtungen auszuüben um die effektive Einhaltung der Menschenrechte zu fördern“. Dieser Vorstoß ist im Kontext einer Zeit zu lesen, in der der menschenrechtliche Diskurs in der Ost-West-Konfrontation des Kalten Krieges zunehmend an Bedeutung gewann. 1975 wurde die sogenannte Helsinki-Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zwischen Staaten beider Blöcke unterzeichnet, die Menschenrechte zu einem Prinzip der internationalen Beziehungen erklärte. Der sogenannte Korb III enthielt einige Formulierungen und Ansätze, die sich später in der Erklärung von 1998 wiederfinden würden. So bestätigten die Unterzeichnerstaaten beispielsweise „das Recht des Individuums, seine Rechte und Pflichten auf [dem] Gebiet [der Menschenrechte] zu kennen und auszuüben“.

In der folgenden Zeit gelang es sowjetischen Dissidenten, intensive Verbindungen zu westlichen Aktivisten und Regierungen aufzubauen und dadurch die politische Repression in der Sowjetunion bekannt zu machen. Nach einer Verhaftungswelle 1977 wurden die KSZE-Folgekonferenzen von westlichen Regierungen zunehmend als Forum genutzt, um sowjetische Menschenrechtsverletzungen öffentlich anzuprangern und dabei unzählige verfolgte Aktivisten Osteuropas namentlich zu nennen.[2] Die Bedeutung, die die Helsinki-Schlussakte damit für die Unterstützung sowjetischer Dissidenten entwickeln konnte, gab 1980 den Impuls für die oben genannte Resolution 1980/23 in der Menschenrechtskommission und ihren Folgeprozess.[3] Dabei war die Erkenntnis zentral, dass die Implementierung internationaler Menschenrechtsstandards entscheidend von Aktivisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen abhängt, die sich inner- und außerhalb des betroffenen Staates dafür einsetzen und die aufgrund ihrer Arbeit einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind. 

Vor diesem Hintergrund legte eine Unterkommission unter dem Vorsitz von Erica-Irene Daes im März 1984 eine Reihe von Leitprinzipien vor, woraufhin die Menschenrechtskommission in einer – wohl betont blockübergreifenden – Initiative von Kanada und Senegal eine unbefristete Arbeitsgruppe damit beauftragte, eine Erklärung zum Thema vorzubereiten. Die bis 1998 bestehende Arbeitsgruppe setzte sich aus Staatenvertretern mit Sitz in der Menschenrechtskommission zusammen, war jedoch auch für Beobachter anderer Staaten sowie für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geöffnet und umfasste über 50 Mitglieder. Zahlreiche internationale NGOs beteiligten sich in aktiver und beratender Rolle an den Verhandlungen. Dabei knüpften sie an eine Entwicklung der siebziger Jahre an, in denen der menschenrechtliche Aktivismus zunehmend zu transnationalen Bewegungen herangewachsen war. Zwischen westlichen Menschenrechts-NGOs und lokalen Oppositionellen im Ostblock, in Lateinamerika und Südafrika hatten sich Netzwerke etabliert, über die Informationen über Menschenrechtsverletzungen ausgetauscht wurden. In den westlichen Demokratien keimten vielerorts kleine Aktionsgruppen auf, die sich gezielt für verfolgte Individuen wie Andrei Sacharow und Nelson Mandela einsetzen, die als „prominente[..] Märtyrer der menschenrechtlichen Sache“ galten.[4] Auf der UN-Ebene fassten die Vertreter einiger NGOs daher das Ziel ins Auge, das Verteidigen von Menschenrechten als ein eigenes Recht zu definieren und dafür benötigte Voraussetzungen wie Versammlungsfreiheit und Zugang zu Information und Finanzierung einzufordern.

In den achtziger Jahren erlebten die Menschenrechte einen vorläufigen Höhepunkt in ihrer völkerrechtlichen Kodifizierung – wenige Jahre zuvor waren die beiden Menschenrechtspakte in Kraft getreten und nach einer 1975 noch unverbindlichen Erklärung war die Antifolterkonvention 1984 im Begriff, völkerrechtlich bindend verabschiedet zu werden. Vor diesem Hintergrund betrachteten viele Beobachter die Erarbeitung einer Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern sogar als Vorstufe einer bindenden Konvention, die dem besonderen Schutzbedürfnis von Menschenrechtsverteidigern Rechnung tragen würde – eine aus heutiger Sicht geradezu naive Vorstellung angesichts des beträchtlichen Konfliktpotenzials. Zwischen Beginn und Ende der Arbeit am Erklärungsentwurf zerfielen nicht nur die Sowjetunion, sondern auch die letzten Militärdiktaturen Lateinamerikas und das Apartheidsregime in Südafrika. Auch wenn diese Entwicklungen die Arbeit an der Erklärung wesentlich beförderten, ist im Rückblick nicht zu übersehen, dass es bis zuletzt erhebliche Widerstände gab.

Die primäre Konfliktlinie der Verhandlungen betraf die Frage der Rolle des Individuums bzw. der Zivilgesellschaft in der nationalen wie internationalen Politik. In der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe 1986 beispielsweise argumentierte die Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik: „Die Frage des Individuums muss im Kontext der Prinzipien von souveräner Gleichheit der Staaten und Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten gesehen werden“.[5] Menschenrechtliche Fragen wurden nach dieser Auffassung als rein staatliche Aufgabe definiert, die auf internationaler Ebene allein zwischen Staaten und auf nationaler Ebene durch den Staat interpretiert und ausgeführt werden sollten; das Individuum als Subjekt des internationalen Rechts wurde daher abgelehnt. Der erste von Norwegen und Kanada 1987 vorgeschlagene Entwurf befasste sich hingegen explizit mit den Rechten und dem Schutz von Menschenrechtsverteidigern als Individuen – und nicht mit den Rechten von Staaten.

Es wäre jedoch zu kurz gefasst, in diesem Konflikt lediglich eine ideologische Konfrontation zwischen Ost- und Westblock im Kontext des Kalten Krieges zu sehen. Zum einen prägte dieser Konflikt die Verhandlungen auch in den neunziger Jahren. Noch 1995 hielt es die französische Delegation für notwendig, daran zu erinnern, dass es in der Arbeitsgruppe um den Schutz von Menschenrechtsverteidigern und nicht um den von Staaten gehen sollte. Jede Erwähnung von besonderen Rechten für Menschenrechtsverteidiger wurde weiterhin stets sorgfältig mit der Betonung ihrer Verpflichtungen abgewogen, was sich auch im Text der Erklärung von 1998 widerspiegeln sollte. Zum anderen positionierten sich durchaus mehrere Ostblockstaaten zumindest ambivalent, was vor dem Hintergrund ihrer Unterstützung von Befreiungskämpfen gegen Kolonialismus und Apartheid gelesen werden muss. Die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik argumentierte 1986 zwar ebenfalls, dass die Erklärung keinen Widerstand von Individuen gegen den Staat unterstützen dürfe, da dieser für die Einhaltung von Menschenrechten verantwortlich sei. Doch sollten „die Fälle von kolonialen, rassistischen oder repressiven Regimen“ bemerkenswerterweise eine „Ausnahme davon bilden“.[6] Zeitzeugen konstatierten insgesamt jedoch einen deutlich wahrnehmbaren Wandel im Verhandlungsraum mit dem Zerfall der Sowjetunion. Dies hing maßgeblich damit zusammen, dass der gesamte Prozess seit 1980 – gerade aufgrund seines Ursprungs in der Helsinki-Schlussakte – vom Ostblock als ein anti-sowjetischer Schachzug aufgefasst und daher politisch blockiert wurde. Außerdem wechselten viele bislang von Moskau abhängige Staaten wie die ehemalige Tschechoslowakei nach 1989 die Lager und trugen damit zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses in den neunziger Jahren bei. Russland sowie auch Senegal zogen zwischen 1990 und 1992 ihre eigenen umstrittenen Erklärungsentwürfe zurück.

Daraufhin legte die Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission 1992 einen vorläufigen Entwurf in der Absicht vor, den Text in der nächsten Sitzung abzuschließen und der Generalversammlung für die Sitzungsperiode 1993/94 zur Verabschiedung vorzulegen. Die zahlreichen Unstimmigkeiten im Grundsatz wie im Detail führten allerdings dazu, dass es noch weitere fünf Jahre dauern und mehrerer Aufforderungen bedürfen sollte – unter anderem im Rahmen der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993 – bis die Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission im Februar 1997 schließlich einen konsolidierten Text vorstellte. Dass es letztendlich gelang einen Kompromiss zu finden, dem alle Staaten im Konsens zustimmen konnten, gibt selbst ehemaligen Verhandlungsführern bis heute gewisse Rätsel auf. Auf Seiten der NGOs wurde im Laufe der neunziger Jahre mehrfach erwogen, dem Prozess wegen seiner Ausweglosigkeit ihre Unterstützung zu entziehen. In einem ungewöhnlichen Schritt veröffentlichte Amnesty International 1995 stattdessen ein Aktionsdokument, das die Blockierungstaktik von Kuba, China, Syrien und Mexiko offen anprangerte und damit insbesondere Mexiko, aber auch China, das an seiner internationalen Reputation arbeitete, empfindlich traf. Die daraus folgende Isolation Kubas im Verhandlungsraum, dessen hochrangiger Diplomat Miguel Alfonso Martínez sich nun nur noch auf ein relativ schwaches Syrien stützen konnte, ist ein wichtiger Faktor, der die Kompromissfindung erklären könnte. Südafrikanische Vertreter ließen zu jener Zeit außerdem verlauten, Nelson Mandela habe Kuba persönlich dazu aufgefordert, den unerbittlichen Widerstand gegen das Dokument aufzugeben. Zeitzeugen weisen jedoch auch darauf hin, dass die damalige oberste Priorität der Kubaner die Abschaffung des UN-Ländermandats zur eigenen Menschenrechtslage war, was ihnen 1998 schließlich auch gelang – möglicherweise im Gegenzug zu einem Entgegenkommen in anderen Belangen wie der Erklärung.

Dennoch blieb die finale Fassung für alle Seiten ein Kompromisstext. Als der Entwurf 1997 vor der Menschenrechtskommission präsentiert wurde, erklärte der Vertreter der Fédération internationale des ligues des droits de l‘Homme im Namen von fünfzehn weiteren NGOs, dass der Text für sie ein „striktes Minimum“ darstelle. Einige Delegationen wie beispielsweise Australien betonten ebenfalls ihre Enttäuschung über den vergleichsweise schwachen Wortlaut und erklärten, sich ihm nur aus Kompromissbereitschaft anzuschließen, um die Verhandlungen endlich zum Abschluss zu bringen. Unmittelbar nach der einvernehmlichen Verabschiedung der Erklärung durch die Generalversammlung im Dezember 1998 veröffentlichte andererseits eine Gruppe von 26 Staaten unter Führung Ägyptens eine „Interpretative Erklärung“, die den Vorrang des nationalen Rechts vor internationalen Prinzipien betonte und verkündete, dass bei der Auslegung der Erklärung „verschiedene kulturelle, religiöse, ökonomische und soziale Hintergründe von Gesellschaften berücksichtigt werden“ müssten.[7] Wenngleich dieser Schritt bestätigt, dass jene Staaten sich der konsensualen Verabschiedung der Erklärung nicht widersetzten, so zielte die damit vermittelte Botschaft unmissverständlich darauf ab, die Erwartungen an die Umsetzung der Erklärung zu dämpfen.

Inhalt

Die Erklärung beinhaltet eine Präambel, in der unter anderem „die wertvolle Arbeit von Individuen, Gruppen und Vereinigungen in ihrem Beitrag zur wirksamen Beseitigung aller Menschenrechtsverletzungen“ anerkannt wird. Der zweite Teil besteht ohne weitere Unterteilung aus zwanzig Artikeln, deren erster jedem Menschen das Recht zuspricht, „einzeln und in Gemeinschaft mit anderen den Schutz und die Umsetzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern und hiernach zu streben“, gefolgt von einer Bekräftigung der „primären“ Verantwortung eines jeden Staates, Menschenrechte zu schützen, zu fördern und umzusetzen. Die Erklärung spiegelt damit die unterschiedlichen Auffassungen zum Stellenwert und zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure im Verhältnis zur staatlichen Souveränität deutlich wider. Zwar ist es – wie von Norwegen und Kanada ursprünglich beabsichtigt – gelungen, eine Resolution zu verabschieden, die sich spezifisch mit der Funktion von Menschenrechtsverteidigern als eigenständigen Akteuren im Menschenrechtsschutz befasst und ihnen Rechte zusichert. Die Gegnerstaaten einer starken Erklärung konnten den Befürwortern jedoch einige wesentliche Zugeständnisse abtrotzen.

Obwohl weitläufig referenziert als „Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern“, findet sich der Begriff „Menschenrechtsverteidiger“ kurioserweise weder im offiziellen Titel noch im Erklärungstext selbst. Die Berichterstatterin der Unterkommission Erica-Irene Daes empfahl 1986 zwar ausdrücklich, dass der Titel „Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern“ lauten solle – doch letztendlich blieb es bei „Erklärung über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen“. Wenn man bedenkt, dass der Begriff während der Verhandlungen durchaus regelmäßig und widerspruchslos von allen Seiten gebraucht wurde, ist seine Abwesenheit in der Erklärung umso auffälliger. Es liegt dabei nahe zu vermuten, dass sowohl der lange und unverständliche Titel als auch die Vermeidung des Begriffs selbst darauf abzielten, die Symbolhaftigkeit der Erklärung zu schwächen und einem der Allgemeinen Menschenrechtserklärung ähnlichen ikonenhaften Status vorzubeugen. Die verschachtelte und komplizierte Sprache des Textes gilt als Erbstück aus den ersten Verhandlungsjahren zu Sowjetzeiten. Angesichts der verbleibenden Konflikte konnte sie auch in späteren Jahren nicht umfassend überarbeitet werden.

Andererseits umgeht die Erklärung durch die Nichterwähnung auch die Notwendigkeit, näher zu definieren, was unter dem Begriff „Menschenrechtsverteidiger“ genau zu verstehen ist. Die definierten Rechte werden schlicht jedem zugesprochen. Das entsprach nicht zuletzt einem Anliegen von Amnesty International, das sich aus den eigenen Reihen dem Vorwurf ausgesetzt sah, an der Herausbildung eines eigennützigen Berufsstands zu arbeiten. Bis heute drängt Russland in neuen Resolutionen zum Thema, unter Verweis auf die Erklärung von 1998, immer wieder darauf, den Ausdruck „Menschenrechtsverteidiger“ mit „Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft“ zu ersetzen und bestreitet die Legitimität des Begriffs, unter anderem mangels einer – zwangsläufig restriktiven – Definition. Dass die Erklärung allerdings nur solche Aktivitäten einschließt, die sich auf friedliche Mittel beschränken, wird an mehreren Stellen deutlich – wenngleich dies insbesondere vor dem Hintergrund des südafrikanischen Befreiungskampfes bis heute durchaus kontrovers diskutiert wird.[8]

Während die Erklärung spezifische Rechte jener „Einzelpersonen, Gruppen und Organe der Gesellschaft“ definiert, werden diese Rechte jedoch bereits im Titel mit Pflichten verknüpft. Auf diese Weise wird das eigentliche Ziel der Erklärung – der Schutz von Menschenrechtsverteidigern – verschleiert. Die Erwähnung und Betonung dieser Verpflichtungen ist einer der langjährigen Streitpunkte während der Verhandlungen in der Arbeitsgruppe. Bereits 1986 insistierte Erica-Irene Daes, dass die Erklärung sich nicht mit den Pflichten von Einzelpersonen oder den Einschränkungen von Rechten, sondern stattdessen mit „Rechten, ihren Verletzungen und neuen Standards für wirksamen Schutz“ befassen solle. Andererseits machte Russland während der Sitzung 1996 gegen die Erwähnung spezifischer Rechte geltend, dass die „Schaffung irgendeines legalen Sonderstatus‘ für Menschenrechtsverteidiger“ zu verhindern sei. Doch der finale Text wird in dieser Hinsicht seinem ursprünglichen Ziel gerecht, indem er ein Recht auf das Verteidigen von Menschenrechten erklärt und zudem in den Artikeln 5 bis 8 weitere Rechte erläutert, die damit in Zusammenhang stehen: Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; das Recht, mit NGOs und zwischenstaatlichen Organisationen zu kommunizieren; Informationsfreiheit; das Recht, menschenrechtsrelevante Informationen zu veröffentlichen, zu diskutieren und öffentliche Aufmerksamkeit darauf zu ziehen; das Recht, neue Menschenrechtsideen zu entwickeln und für ihre Akzeptanz zu werben; sowie das Recht, sich an öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen. In den Artikeln 9 und 12 wird das Verteidigen von Menschenrechten auch ausdrücklich mit einem Anrecht auf Schutz vor und Rechtsmitteln gegen Menschenrechtsverletzungen verbunden. Mehrere Delegationen bestanden 1997 allerdings auf der Ergänzung eines Artikels, der auch die Pflichten von Menschenrechtsverteidigern beschreibt, darunter ein Vorschlag von Kuba, der beispielsweise die „Notwendigkeit, politische Fragen in ihren Aktivitäten zu vermeiden“ vorsah. Dem prinzipiellen Wunsch wird letztendlich in Form von Artikel 18 nachgekommen, der Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft feststellt, allerdings ohne diese näher zu definieren. Kuba, China und Syrien unternahmen außerdem mehrere Versuche, die Erklärung auf lediglich solche Aktivitäten von Menschenrechtsverteidigern einzuschränken, die die Verletzung von eigenen Rechten betreffen. Dies scheiterte hingegen am entschiedenen Widerstand von Amnesty International und zahlreichen Delegationen, die mit dieser Eingrenzung den Sinn der ganzen Erklärung ausgehöhlt sahen.

Ein zentrales Zugeständnis an die Gegner einer starken Erklärung findet sich in Artikel 3, der ausdrücklich die nationale Gesetzgebung als rechtlichen Rahmen für alle in der Erklärung genannten Aktivitäten definiert, zumindest insoweit sie mit der UN-Charta und den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen des Staates übereinstimmt. Damit in Zusammenhang steht ein weiterer Punkt, dessen Diskussion die Verhandlungen erheblich hinauszögerte, nämlich die Frage der Finanzierung von Aktivitäten zur Verteidigung von Menschenrechten. Der norwegisch-kanadische Entwurf der Erklärung von 1987 sah einen Abschnitt vor, der den Bezug von finanziellen Mitteln jeglicher, auch internationaler, Quelle ausdrücklich in das Vereinigungsrecht einschloss. Viele Delegationen sahen auf diese Weise jedoch ihre staatliche Souveränität bedroht und bestanden auf Ergänzungen wie „rechtmäßig“, „offengelegt“ oder „von einer legitimen Quelle“. Kuba verlangte zusätzlich eine Klausel, die direkte und indirekte Finanzierung durch ausländische Regierungen untersagte. Als die Frage 1997 noch immer ungeklärt blieb, erwog Kanada, dass „Schweigen zum Thema Ressourcen das aussichtsreichste Vorgehen“ sein könnte. Auf Vorschlag von Südafrika – mittlerweile Mitglied der informellen „Gruppe der Freunde“ der Erklärung – das die Bedeutung der ausländischen Finanzierung von Anti-Apartheids-NGOs betont, heißt es im verabschiedeten Artikel 13 schließlich: „Jeder Mensch hat, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen, das Recht, Ressourcen zu erbitten, zu erhalten und zu nutzen mit dem ausdrücklichen Zweck, Menschenrechte und Grundfreiheiten mit friedlichen Mitteln und in Übereinstimmung mit Artikel 3 dieser Erklärung zu fördern und zu schützen“.

Wirkungsgeschichte

Die Errungenschaft der Erklärung liegt darin, dass sie erstmals ein Recht auf das Verteidigen von Menschenrechten definiert und damit jenen Aktivitäten, die oftmals unter Einsatz des eigenen Lebens oder der eigenen Gesundheit durchgeführt werden, eine ausdrückliche Legitimität verleiht. Während viele NGOs den verabschiedeten Text als „absolutes Minimum“ bezeichneten und teilweise noch mit dem Gedanken einer bindenden Konvention spielten, erschien der Text seinen Kontrahenten als harmlose und daher annehmbare Symbolpolitik anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Beide Seiten unterschätzten jedoch die Eigendynamik, die die Erklärung schließlich entfalten würde. Wenngleich sie mit der Klarheit und Kompromisslosigkeit der Erklärung von 1948 bei weitem nicht mithalten kann, so kann sie doch als identitätsstiftend für eine Gruppe von Akteuren angesehen werden, die sich innerhalb der Menschenrechtsszene zunehmend mit dem Schutz und der Förderung sogenannter „Menschenrechtsverteidiger“ auseinandersetzte. Die Vernetzung dieser Akteure begann jedoch nicht erst mit der Verabschiedung der Erklärung selbst, sondern zeichnete sich bereits während des UN-Verhandlungsprozesses ab. Auf dessen Höhepunkt entschlossen sich die französischen NGOs Fédération internationale des ligues des droits de l‘Homme (FIDH) und Organisation mondiale contre la torture (OMCT), ihre Bemühungen in diesem Bereich zu bündeln und gründeten 1997 das Observatoire pour la protection des défenseurs des droits de l’homme. Im selben Jahr begann eine NGO-Koalition auf Initiative der französischen Sektion von Amnesty International den ersten Menschenrechtsverteidiger-Weltkongress vorzubereiten, der schließlich zum 50. Jahrestag der Allgemeinen Menschenrechtserklärung in Paris stattfand. Der Kongress führt 350 Menschenrechtsaktivisten aus 110 Ländern zusammen, die die Verabschiedung der Erklärung durch die UN-Generalversammlung mit Enthusiasmus begrüßten.[9] Eines der greifbaren Resultate dieser Zusammenkunft war die Gründung von Front Line Defenders im Jahr 2001, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Irland, die sich auf die weltweite Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern spezialisierte. Im folgenden Jahrzehnt vergrößerte sich die Anzahl solcher NGOs und Netzwerke sowie dem Thema gewidmeter Fonds und Programme stets weiter, auf internationaler ebenso wie regionaler und lokaler Ebene.

Dieser Prozess wurde maßgeblich unterstützt von den weiteren Entwicklungen auf UN-Ebene. Statt den relativ aussichtslosen Weg einer bindenden Konvention zu gehen, drängte die NGO-Gemeinschaft unmittelbar nach Verabschiedung der Erklärung auf die Einrichtung einer institutionellen Verankerung im UN-System. Während es in der nächsten Kommissionssitzung einer Koalition von Staaten noch gelang, dieses Ziel zu unterminieren, sprachen sich im Laufe des Jahres mehrere internationale Organisationen und einige Regierungen dafür aus. Auf den Antrag von Norwegen – unter spontaner Beteiligung von Marokko – hin gab die Menschenrechtskommission 2000 dem Wunsch schließlich statt und forderte mit 50 Ja-Stimmen und drei Enthaltungen (von China, Kuba und Ruanda) den UN-Generalsekretär dazu auf, einen Sonderbeauftragten zu ernennen, der über die Situation von Menschenrechtsverteidigern weltweit sowie mögliche Schutzmaßnahmen berichten sollte. Das Mandat wurde vom Observatoire als „besonders umfassend und handlungsorientiert“ gelobt.[10] Auf diesen Posten berief Kofi Annan die erfahrene pakistanische Menschenrechtsanwältin Hina Jilani, deren richtungsweisende Arbeit von der NGO-Gemeinschaft heute noch als solider Grundstein für das Mandat anerkannt wird. Das Mandat eines Sonderbeauftragten wurde später als Sonderberichterstatter in das System der Sonderverfahren des neugegründeten Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen integriert und 2008 von der ugandischen Anwältin Margaret Sekaggya übernommen, die ihrerseits 2014 vom aktuellen, französischen Sonderberichterstatter Michel Forst abgelöst wurde.

Norwegen, das in der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Erklärung von Anfang an eine zentrale Rolle einnahm, behält bis heute eine federführende Rolle in Sachen Menschenrechtsverteidiger, indem es in regelmäßigem Rhythmus Resolutionen zum Thema in Menschenrechtsrat und Generalversammlung einbringt. Zusammen mit diesen Resolutionen hat das Mandat erheblich zur Sichtbarkeit von Menschenrechtsverteidigern auf der internationalen Ebene beigetragen. Erstens legt der Mandatsträger sowohl dem Menschenrechtsrat (bzw. früher der -kommission) als auch der Generalversammlung jährliche Berichte vor, die oft einen Aspekt thematisch vertiefen, wie beispielsweise die spezifische Situation der Verteidiger von Umweltrechten oder von Frauen- und LGBTI-Rechten. In diesen Resolutionen und Berichten wird die Erklärung von 1998 stets als Grundlage herangezogen und unter Bezug auf völkerrechtlich wirksame Menschenrechtsverträge in weiteren Details ausgelegt.

Das Hochkommissariat für Menschenrechte unternahm einen ähnlichen Schritt, indem es wenige Jahre nach der Erklärung das Informationsblatt Nummer 29 mit dem Titel „Human Rights Defenders: Protecting the Right to Defend Human Rights“ herausgab und darin die Erklärung unter dem Aspekt interpretierte und zusammenfasste, wie sie Menschenrechtsverteidigern helfen und Schutz bieten könne. In diesem Informationsblatt findet sich außerdem eine weitläufig referenzierte Definition des Begriffes, die sehr breit gefasst ist und im Grunde jeden Menschen einschließt, der sich in irgendeiner Form gewaltfrei für die Umsetzung von Menschenrechten einsetzt. Sie betont, dass das Verteidigen von Menschenrechten keine Qualifikation voraussetzt und „wir alle Menschenrechtsverteidiger sein können, wenn wir uns dazu entschließen“.[11] Bedingung sei lediglich, dass die Universalität der Menschenrechte anerkannt werde (das heißt, man könne nicht einzelne Rechte verteidigen und andere verweigern) und dass die unternommenen Aktivitäten friedvoll seien. 2011 veröffentlichte Margaret Sekaggya unter der Autorität ihres Mandats einen Kommentar zur Erklärung, der die unterschiedlichen darin geschützten Rechte einzeln unter die Lupe nimmt und in einer menschenrechtlichen Lesart definiert. Darüber hinaus setzt sich der Mandatsträger durch sogenannte Urgent Appeals oder Allegation Letters an Regierungen auch direkt für Menschenrechtsverteidiger ein, die sich in Gefahr befinden – seit Gründung des Mandats wurden so die Fälle von über 12.000 Individuen sowie zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und restriktiven Gesetzesentwürfen behandelt.

Die Erklärung hat jedoch auch auf regionaler Ebene Auswirkungen. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission schuf 2001 eine Anlaufstelle für Menschenrechtsverteidiger. Zehn Jahre später setzte sie in Reaktion auf zahlreiche Bedrohungen von Menschenrechtsverteidigern einen eigenen Sonderberichterstatter zum Thema ein. Die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker richtete einen solchen Posten bereits 2004 ein. Im selben Jahr verabschiedete die Europäische Union (EU) ihre ersten Leitlinien zu Menschenrechtsverteidigern, die Leitprinzipien festlegten für die Arbeit zu und mit Aktivisten durch EU-Botschaften in Drittländern und 2008 aktualisiert wurden. 2015 wurde außerdem die neue EU-Initiative ProtectDefenders eingeweiht, die zum Ziel hat, besonders gefährdete Menschenrechtsverteidiger zu schützen. Die Initiative wird hauptsächlich durch das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte finanziert und von einem Konsortium von zwölf NGOs geleitet.

Auf internationaler Ebene wird die Erklärung jedoch auch für die Begründung regressiver Positionen herangezogen. Kuba beispielsweise fordert regelmäßig, dass Artikel 3 der Erklärung (zur nationalen Gesetzgebung) sowie Artikel 17, der die mögliche Einschränkung der definierten Rechte benennt, in neueren Resolutionen adäquat reflektiert werden. Wie oben bereits erwähnt, verweist Russland derweil oft auf die Abwesenheit des Wortes „Menschenrechtsverteidiger“ in der Erklärung, um es in jedem offiziellen Dokument durch „Individuen, Gruppen und Organe der Gesellschaft“ zu ersetzen. Diese Bemühungen – sowie die Vehemenz, mit der gerade der versuchten Löschung des Begriffs entgegnet wird – zeigt zwar einerseits, dass das Thema auf UN-Ebene längst über den ursprünglichen Rahmen der Erklärung hinausgewachsen ist. Andererseits wird jedoch auch deutlich, dass die Widerstände nicht nachlassen – im Gegenteil. Wenn man die Entwicklungen nationaler Gesetzgebungen und repressiver Strategien mit dem zunehmend kühnen Vorgehen jener Staaten gegen internationale Kritik in Beziehung setzt, wirkt das Feilschen um den Wortlaut von Resolutionen beinahe wie ein Nebenschauplatz. Vor vier Jahren unternahm beispielsweise die Gruppe afrikanischer Staaten unter Einfluss von Russland den zunächst erfolgreichen Versuch, die vom Menschenrechtsrat bereits verabschiedete Resolution 24/24 in der Generalversammlung zu kippen. Dieser Präzedenzfall sollte die Schaffung einer hochrangigen UN-Anlaufstelle für Individuen, die aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit UN-Institutionen Repressalien erfahren, verhindern und damit den Rat in seine Schranken weisen. Zwar wurde 2016 (mit erheblicher Verzögerung) Andrew Gilmour als neuem stellvertretenden UN-Generalsekretär für Menschenrechte schließlich das spezifische Mandat erteilt, Vorwürfen solcher Repressalien nachzugehen. Jedoch unternahm die Gruppe afrikanischer Staaten fast zeitgleich einen zweiten Versuch der Untergrabung des Menschenrechtsrats, diesmal um das gerade neue Mandat zu „Sexueller Orientierung und Genderidentität“ wieder abzusetzen. Diese Machtproben machten allzu deutlich, wie fragil das bestehende Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen ist und wie wenig Respekt gewisse Staaten selbst bindenden Entscheidungen entgegenzubringen gewillt sind.

Trotz dieser Gegenkräfte – und trotz der Tatsache, dass die Erklärung keinen völkerrechtlich bindenden Charakter erhalten hat – stellt das Dokument von 1998 ein zentrales Element in der Menschenrechtsarbeit von und mit Menschenrechtsverteidigern dar. Zwar ist die unmittelbare Relevanz der Erklärung für die Lebensrealität der darin angesprochenen Aktivisten aufgrund ihrer steifen und abgezirkelten Sprache zumindest fraglich, doch die damit einhergehende internationale Anerkennung hat zweifellos einiges verändert. Die Erklärung kann dabei zugleich als Symptom und als Katalysator einer menschenrechtlichen Bewegung angesehen werden, die sich zunehmend für lokale Akteure interessiert, die selbst aktiv für Menschenrechte eintreten. Diese wachsende Aufmerksamkeit internationaler Einzelfall- und Kampagnenarbeit für den Schutz jener Menschenrechtsverteidiger soll – im Umkehrschluss aus Kofi Annans Appell – dazu beitragen, unser aller Rechte besser zu schützen. Das Innovative an diesem Gedanken liegt in der strategischen Gewichtsverschiebung der internationalen Menschenrechtsarbeit vom Anprangern schlechter staatlicher Menschenrechtsbilanzen hin zur Stärkung von innergesellschaftlichen Kräften, die Menschenrechte für sich und andere reklamieren – und damit in der Verlagerung des Schwerpunkts von einem überwiegend reaktiven Ansatz hin zu einem präventiven und nachhaltigeren Wirkungsanspruch.

Kommentierte Literaturliste

Bernard, Antoine: Introduction – One step forward, three steps back, in: The Observatory for the Protection of Human Rights Defenders (Hg.): Annual report 1999: Human rights defenders on the front line. Paris 1999, S. 17-21.

Ein Jahr nach Verabschiedung der Erklärung zieht Antoine Bernard, Direktor von FIDH, in dieser kurzen Einleitung zum Jahresbericht des Observatoire eine Bilanz über die Bedeutung der Erklärung und reflektiert über den Verhandlungsprozess und die Entwicklung der Situation von Menschenrechtsverteidigern. Dabei nimmt er eine relativ pessimistische Haltung ein über die Anwendung von stets verfeinerten Methoden staatlicher Repression und attestiert der Gesamtlage eine deutliche Verschlechterung im Laufe des ersten Jahres nach der Erklärung. Die Lektüre ist auch interessant unter dem Gesichtspunkt, dass Diagnose und Tonfall sich relativ wenig unterscheiden von vielen aktuellen Berichten über die Entwicklung der Situation von Menschenrechtsverteidigern.

Forst, Michel: Naissance d‘un concept, in: Amnesty International (Hg.): Défenseurs de droits humains, Paris 2008, S. 12-28.

In diesem Beitrag gibt Michel Forst – 2008 Generalsekretär der nationalen Menschenrechtskommission Frankreichs, heute UN-Sonderberichterstatter zur Situation von Menschenrechtsverteidigern – schlaglichtartigen Einblick in den Verhandlungsprozess, an dem er gegen Ende als Vertreter von Amnesty International Frankreich selbst beteiligt war. Er zeichnet einige der Hauptkontroversen und Wendepunkte nach und berichtet außerdem über den Menschenrechtsverteidiger-Weltkongress, den er 1998 – gegen Widerstände in der eigenen Organisation – mit vorbereitet und abgehalten hat.

Eguren Fernández, Luis Enrique und Patel, Champa: Towards developing a critical and ethical approach for better recognising and protecting human rights defenders, in: The International Journal of Human Rights 19 (2015), S. 896–907.

Der von der Kritischen Theorie inspirierte Artikel befasst sich auf theoretische Weise mit den Grenzen und Problemen des Konzepts „Menschenrechtsverteidiger“ wie es im Informationsblatt Nr. 29 dargelegt ist und weitläufig verwendet wird. Die Autoren reflektieren über bessere Kriterien zur Definition von Menschenrechtsverteidigern durch ihre Tätigkeiten und Erfahrungen. Sie legen Wert darauf, jene Aktivisten als Akteure in einem Beziehungsgeflecht zu begreifen und dabei anzuerkennen, dass Rechte zwar universell sind, aber nicht überall in gleicher Weise angewendet werden. Unter diesem Gesichtspunkt machen sie sich beispielsweise Gedanken über die Legitimität von Gewaltanwendung unter bestimmten Bedingungen und äußern sich skeptisch über die Zweckmäßigkeit der Forderung, dass Menschenrechtsverteidiger stets die Universalität der Menschenrechte anerkennen müssen.

UN Special Rapporteur on the situation of human rights defenders: Commentary to the Declaration on the right and responsibility of individuals, groups and organs of society to promote and protect universally recognized human rights and fundamental freedoms. Geneva 2011.

Dieser ‚Kommentar‘ zur Erklärung wurde 2011 von UN-Sonderberichterstatterin Margaret Sekaggya zum Ende ihres ersten Mandatszyklus herausgegeben. Darin werden auf insgesamt 100 Seiten die einzelnen Rechte konkretisiert, die in der Erklärung von 1998 abgedeckt sind, sowie die Voraussetzungen zu ihrer Erfüllung dargelegt. Zu diesem Zweck werden auch Empfehlungen an Staaten ausgesprochen, wie sie zur Umsetzung jedes dieser Rechte beitragen können – vor dem Hintergrund ihrer jeweils verbreitetsten Einschränkungen. Abschließend wird auch die Frage nach der legitimen Beschneidung dieser Rechte behandelt. Die Analyse stützt sich dabei maßgeblich auf die Informationen, die dem Mandat im ersten Jahrzehnt seines Bestehens übermittelt wurden sowie die Berichte, die Hina Jilani und Margaret Sekaggya in diesem Zeitraum angefertigt haben.

Sonstige verwendete Literatur

Amnesty International: Breaching the Walls of Silence. Issues at Stake in the UN Draft Declaration on Human Rights Defenders, Index number IOR 40/07/95 (1995).

Bennett, Karen et al: Critical Perspectives on the Security and Protection of Human Rights Defenders, in: The International Journal of Human Rights 19 (2015), S. 883-895.

Eckel, Jan: Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern. Göttingen 2015.

Hitchen, Jamie und Kasoma, Jacqueline: Making the Transition. Engaging Communities in Uganda with the United Nations Declaration on Human Rights Defenders, in: Journal of Human Rights Practice 5 (2013), S. 512-521.

Kaba, Sidiki und Sottas, Eric: Introduction. Human Rights Defenders Caught between Daily Repression and International Hypocrisy, in: The Observatory for the Protection of Human Rights Defenders (Hg.): Annual report 2000 – Human rights defenders on the front line. Paris 2000, S. 9-14.

Keck, Margaret und Sikkink, Kathryn: Activists beyond Borders. Transnational Advocacy Networks in International Politics. Ithaca 1998.

McChesney, Allan und Rodley, Nigel: Human Rights Defenders: Drafting a Declaration, in: ICJ Review 48 (1992), S. 49-55.

UN Office of the High Commissioner for Human Rights: Human Rights Defenders: Protecting the Right to Defend Human Rights, Fact Sheet No. 29. Geneva (n.d.).

UN Commission on Human Rights: Report of the Working Group on a Draft Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms, UN doc. E/CN.4/1986/40. Geneva 1986.

UN Commission on Human Rights: Drafting of a Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms – Report of the Working Group on its Twelfth Session, UN doc. E/CN.4/1997/92. Geneva 1997.

UN General Assembly: Letter dated 98/11/18 from the Permanent Representative of Egypt to the United Nations addressed to the President of the General Assembly, UN doc. A/53/679. New York 1998.

UN Secretary-General: Secretary-General calls for new United Nations-NGO partnership amidst ongoing human rights revolution, Press Release SG/SM/6697 PI/107, Annual DPI-NGO Conference. New York 1998.

Die Autorin dankt Petter Wille, Wilder Tayler und Michel Forst für ihre Zeit und die wertvollen Einblicke sowie Dr. Katrin Kinzelbach für ihre Kommentare zu einer früheren Version des Artikels.

Zitation

Janika Spannagel: Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern (1998) , in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, herausgegeben vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, September 2017, URL: www.geschichte-menschenrechte.de/erklaerung-zu-menschenrechtsverteidigern-1998/

  1. Die Erklärung ist weitläufig als „Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern“ bekannt, der offizielle Titel lautet allerdings „Erklärung über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen“.
  2. Eckel: Ambivalenz, S. 744 f.
  3. McChesney/Rodley: Drafting, S. 49.
  4. Eckel: Ambivalenz, S. 344-348.
  5. UN Commission: Report of the Working Group 1986, S. 5.
  6. UN Commission: Report of the Working Group 1986, S. 6.
  7. UN General Assembly: Letter from Egypt, S. 3.
  8. Vgl. Eguren/Patel: Ethical Approach, S. 902.
  9. Vgl. Forst: Naissance, S. 22 f.
  10. Kaba/Sottas: Introduction, S. 10.
  11. OHCHR: Fact Sheet, S. 8.